Aufstand in Berlin:Das blutige Ende der zweiten Revolution

Lesezeit: 2 min

Im Januar 1919 versuchten Linksradikale in Berlin, doch noch ein Rätesystem zu erzwingen - die Regierung ließ sie niederschießen.

R. Probst

"Die politische Macht, die sich das Proletariat am 9. November erobert hat, ist ihm zum Teil schon wieder entrissen worden ... Noch ist das Eisen warm, jetzt müssen wir es schmieden. Jetzt oder nie! Entweder wir gleiten zurück in den alten Sumpf der Vergangenheit, aus dem wir in revolutionärem Anlauf versucht haben, uns zu erheben, oder wir setzen den Kampf fort bis zum Sieg und zur Erlösung."

Revolution aus heiterem Himmel: Im Januar 1919 errichteten kommunistische Arbeiter in Berlin Barrikaden. (Foto: Foto: Bundesarchiv)

Karl Liebknecht hatte schon Ende Dezember 1918 erkannt, dass die neuen Männer an den Schalthebeln der Macht nicht gerade im Sinne der Arbeiterklasse handelten. Die Chance zur Fortsetzung des Kampfes bot sich am 5. Januar 1919.

In der Woche darauf vor nun 90 Jahren entschied sich das Schicksal der Revolution - die SPD-geführte Reichsregierung ließ die Aufständischen in Berlin einfach niederschießen. Der Traum von der Diktatur des Proletariats war von diesem Zeitpunkt an erledigt.

Nach dem unblutigen Aufbegehren der Soldaten und Arbeiter, der Beendigung des Weltkriegs und dem erfolgreichen Sturz der Monarchie im November 1918 stritten die plötzlich regierenden sozialistischen Politiker in den folgenden Wochen erbittert über den künftigen Weg Deutschlands: parlamentarisch-demokratische Republik oder sozialistisch-revolutionäres Rätesystem.

In den Gremien dominierten die Mehrheitssozialdemokraten (MSPD) unter der Führung von Friedrich Ebert, der kein Revolutionär war. Er setzte lieber auf eine baldige Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung und tat sich mit den alten Eliten aus Militär und Bürokratie zusammen.

Die Linksradikalen sahen ihre Chancen schwinden. Ein nichtiger Anlass bot dann die Gelegenheit, um das Ruder in einer Art "zweiter Revolution" doch noch herumzureißen.

Revolution aus heiterem Himmel

Die Ereignisse vom Januar 1919 werden noch immer gern als "Spartakusaufstand" bezeichnet, doch die Initiative ging gemeinsam von der radikalen SPD-Abspaltung USPD, der am 1. Januar 1919 gegründeten "Kommunistischen Partei Deutschlands (Spartakusbund)" und Revolutionären Obleuten aus.

Ein Aufstand war aber gar nicht geplant. Sie riefen lediglich zu einer "wuchtigen Massendemonstration" gegen die Absetzung des Berliner Polizeipräsidenten Emil Eichhorn, einem USPD-Mitglied, auf. Hunderttausende Arbeiter kamen - einzelne bewaffnete Gruppen besetzten spontan die großen Zeitungshäuser der Verlage Ullstein, Mosse und Scherl, sowie des Vorwärts.

Wie aus heiterem Himmel schien die Revolution, die seit dem 10. November gleichsam stillgestanden hatte, erneut ausgebrochen zu sein. Und das wenige Tage vor der Wahl zur Nationalversammlung. Eher überrascht von ihrem Erfolg erklärten die Initiatoren am 6. Januar die Regierung Ebert für abgesetzt.

Erneut bevölkerten Hunderttausende die Straßen Berlins, unter ihnen mit Sicherheit nur eine geringe Zahl "Spartakisten". Weitere Anweisungen gab es nicht, die meisten Menschen gingen wieder nach Hause. "An diesem 6. Januar war, obwohl es noch niemand wusste, die deutsche Revolution gestorben", schrieb der Publizist Sebastian Haffner.

Aber Ebert ließ es dabei nicht bewenden. Mit rasch gebildeten neuen Regierungstruppen und später auch rechtsradikalen Freikorps ließ er dem Aufstand der "Utopisten" ein Ende setzen. "Gewalt kann nur mit Gewalt bekämpft werden", hieß es in einem Aufruf der Reichsregierung vom 8. Januar.

Verfeindete Arbeiterbewegung

Den Oberbefehl hatte der Volksbeauftragte Gustav Noske, der aus Pflichtbewusstsein den "Bluthund" gab. Die "weißen Truppen" eroberten bis zum 12. Januar alle besetzten Häuser zurück, mehr als 160 Menschen starben bei den Kämpfen.

"Wir, die Vorkämpfer der Revolution, werden uns nicht von unserem Platz verdrängen lassen. Wir bleiben so lange am Leben, bis wir die Macht des Sozialismus fundiert haben", hatte Liebknecht noch Ende Dezember 1918 gesagt.

Wenige Tage nach dem Aufstand ermordeten Freikorpsangehörige am 15. Januar den Kommunisten Liebknecht und die KPD-Mitgründerin Rosa Luxemburg. Die Linken hatten jetzt ihre Märtyrer - und auf der entstehenden Republik lastete die schwere Bürde einer dauerhaft gespaltenen und verfeindeten Arbeiterbewegung.

© SZ vom 05.01.2009/gal/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: