Atomstreit:Vergiftete Geschenke

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Südkoreaner verfolgen auf einem Fernsehbildschirm in Seoul einen nordkoreanischen Raketentest. (Foto: Ahn Young-joon/AP)

Nach einer Phase der Annäherung haben die Vereinigten Staaten und Nordkorea wieder auf Eskalationsmodus geschaltet.

Von Paul-Anton Krüger, München

Nordkoreas stellvertretender Außenminister Ri Thae Song hatte zum Beginn der Adventszeit eine Botschaft für Amerika, die in der Regierung von Präsident Donald Trump wohl niemand falsch verstanden hat. Es sei alleine an den USA, zu entscheiden, welches Weihnachtsgeschenk sie bekommen wollten, sagte der im Außenministerium für die Beziehungen zu Washington zuständige Diplomat. Beim Treffen von US-Präsident Donald Trump mit Nordkoreas Diktator Kim Jong-un in Panmunjom Ende Juni führte Ri bereits informelle Verhandlungen mit dem US-Sondergesandten Stephen Biegun.

Am Wochenende nun hat Nordkorea klargemacht, was zur Auswahl steht, wenn Trump die Frist bis Jahresende verstreichen lässt, die ihm Kim im April nach dem gescheiterten Gipfeltreffen in Hanoi für eine Änderung seiner Politik gestellt hat. Nordkorea verlangt grundlegend neue Vorschläge, um den Stillstand zu durchbrechen. Kern wäre nach dem Wunsch Pjöngjangs ein Vorgehen Schritt für Schritt, bei dem die USA in einem frühen Stadium einen Teil der Sanktionen aufheben würden. Tatsächlich zweifeln Experten seit Langem daran, dass Nordkorea überhaupt bereit wäre, seine Atomwaffen aufzugeben. Trump ist überzeugt, Kim habe ihm dies beim ersten Treffen in Singapur zugesagt.

Washington will, dass sich der UN-Sicherheitsrat mit den nordkoreanischen Tests befasst

Am Wochenende jedenfalls, das legen Satellitenbilder nahe, testete Nordkorea auf dem Raketenstartplatz Sohae ein Triebwerk auf einem Teststand - den zu zerstören Kim nach US-Angaben ebenfalls beim ersten Gipfeltreffen mit Trump zugesagt hatte. Auf dem Satellitenbild sind Spuren am Boden zu erkennen, die von dem Abgasstrahl stammen. Die US-Geheimdienste verfügen zweifellos über eine weitergehende Einschätzung, ob dort ein Flüssigtreibstoff-Triebwerk erprobt wurde, was Aufnahmen von vor dem Test nahelegen, oder ein neuartiges großes Feststofftriebwerk, was problematischer wäre. Auf Antrag der USA soll der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen sich an diesem Mittwoch mit dem Test befassen.

Tatsächlich hatte Nordkorea den Teststand und andere Teile der Anlage nach Singapur als Zeichen guten Willens demontiert. Zwischen Mitte Februar und Anfang März begannen aber Arbeiten, um ihn wieder einsatzbereit zu machen und ebenso den Startturm auf dem Gelände. Ein auf Schienen fahrbares Gebäude, in dem die Rakete aufgestellt wird, wurde wieder aufgebaut, höher als zuvor. Das kann als Indiz gelten, dass Nordkorea Flugtests mit einer Rakete vorbereitet, womöglich auch mit einer, die größer ist als bisherige Flugkörper.

Kim hatte Trump versprochen, keine Raketen von interkontinentaler Reichweite abzufeuern, wie zuletzt im November 2017 - allerdings hat er durch eine ganze Serie von Raketentests seine Unzufriedenheit mit der US-Position und Verhandlungsführung deutlich gemacht. Allein seit Mai feuerte Nordkorea an acht Tagen Raketen ab, einige Male wurden Tests unterschiedlicher Waffensysteme kombiniert. In Washington sah die Regierung aus politischen Erwägungen darüber hinweg, obwohl manche der Tests in den Geheimdiensten und dem Militär als problematisch gelten.

Darunter waren Typen großkalibriger Mehrfachraketenwerfer, die feststoffgetriebene Raketen kürzerer Reichweite verschießen. Solche Waffensysteme ändern nicht grundlegend das militärische Kräfteverhältnis auf der koreanischen Halbinsel, deuten aber auf systematische Modernisierung hin. Sie bedrohen vor allem den Großraum von Südkoreas Kapitale Seoul, die Stadtgrenze liegt nur 25 Kilometer von der demilitarisierten Zone entfernt.

Kopfzerbrechen bereitet Analysten die Erprobung einer Rakete, die äußerlich bis in Details der russischen Iskander gleicht, einer modernen und hochpräzisen Boden-Boden-Rakete, die Atomsprengköpfe tragen kann und eine Steuerung besitzt, die in der Lage sein soll, Raketenabwehrsysteme auszumanövrieren. Wie bei etlichen anderen Raketentypen gelang der Test auf Anhieb, was ungewöhnlich ist - und erneut die Frage nach der Herkunft der Rakete aufwirft. Hat Russland sie geliefert? Hat Nordkorea sie über einen Drittstaat erhalten? Oder - eher unwahrscheinlich - haben Nordkoreas Ingenieure sie mit ausländischer Hilfe selber gebaut?

Im Oktober testete Nordkorea den Unterwasser-Start einer zweistufigen ballistischen Rakete mit Feststoffantrieb, wie sie für die Stationierung auf U-Booten geeignet wäre. Die Flugbahn lässt auf eine Reichweite von etwa 2000 Kilometer schließen. Vieles über diese neue Rakete ist unbekannt - militärisch aber ergibt sie nur als Atomwaffenträger Sinn, wenn Nordkorea eine nukleare Zweitschlagsfähigkeit anstrebt und damit ein Abschreckungspotenzial gegen die USA auch im Falle eines Krieges. Ein solches Projekt verfolgt indes niemand, der vorhat, die Bombe aufzugeben.

Nordkoreas Raketentests dienen neben der Demonstration technischer Fähigkeiten oft auch zur Übermittlung politischer Botschaften. Wenn die Vergangenheit einen Anhaltspunkt bietet: Im Juli 2017 sprach das Regime in Pjöngjang schon einmal von einem "Geschenkpaket" an die USA. Damals ließ Kim die Hwaesong-14 testen, Nordkoreas erste Rakete, die theoretisch das amerikanische Festland erreichen könnte.

© SZ vom 11.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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