Atomstreit:Treibstoff der Diplomatie

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Präsident Hassan Rohani will weitere Verpflichtungen aus dem Atomabkommen nicht mehr einhalten. Den Europäern setzt er eine weitere Frist von zwei Monaten. (Foto: dpa)

Irans Führung verlangt von den Europäern Abnahme-Garantien für Öl oder Kredite. Nur dann könne man über das Atomprogramm oder die Regionalpolitik verhandeln.

Von Paul-Anton Krüger, München

Iran verlangt von den Europäern, bis Jahresende Öl im Wert von 15 Milliarden Dollar abzunehmen oder eine Kreditlinie in entsprechender Höhe bereitzustellen. Diese solle durch künftige Ölexporte garantiert werden, also Ausfuhren vorfinanzieren. Das sei die Voraussetzung für eine Rückkehr der Islamischen Republik zur vollständigen Einhaltung des Atomabkommens, sagte am Mittwoch Vizeaußenminister Abbas Araghchi, der zuvor Gespräche mit der französischen Regierung in Paris geführt hatte. Nur dann sei Iran auch zu weitergehenden Verhandlungen mit den verbliebenen Parteien des Atomabkommens bereit. Araghchi ist gemeinsam mit Außenminister Mohammad Dschawad Sarif Irans Unterhändler im Atomstreit.

Präsident Hassan Rohani kündigte nach einer Kabinettssitzung in Teheran an, Iran werde ungeachtet der Verhandlungen an diesem Donnerstag bekannt geben, welche zusätzlichen Verpflichtungen aus dem Abkommen sein Land künftig nicht mehr einhalten will. Der Schritt werde "bedeutsam" sein, fügte er hinzu. Entscheidend für die Reaktion der Europäer dürfte sein, ob dieser Schritt wie die beiden bisherigen Verstöße gegen die Bestimmungen des Abkommens leicht rückgängig zu machen ist. Gespräche mit den USA schloss Rohani unter den derzeitigen Bedingungen auch in einem multilateralen Format aus. Nachdem er ein bilaterales Treffen mit US-Präsident Donald Trump abgelehnt hatte, galt eine Begegnung der beiden im Zuge einer Zusammenkunft der im Atomabkommen verbliebenen Staaten bei der Ende des Monats in New York bevorstehenden UN-Generalversammlung noch als Möglichkeit.

Frankreich will erreichen, dass die USA einer Kreditlinie für Iran zustimmen

Rohani sagte, die Gespräche mit Frankreich hätten in den vergangenen sechs Wochen zwar gute Fortschritte gebracht. Es gebe aber weiter strittige Punkte, und er rechne nicht damit, dass bis zu diesem Donnerstag eine Einigung erzielt werden könne. Deshalb werde Iran den dritten Schritt vollziehen. Den Europäern blieben dann zwei weitere Monate, um Irans Forderungen zu erfüllen. Bislang hat Iran Beschränkungen für die Menge des im Land gelagerten angereicherten Urans überschritten und zudem den Anreicherungsgrad von den erlaubten 3,67 Prozent auf 4,5 Prozent gesteigert. Auch hat die Atomenergie-Organisation des Landes einen neuen Typ von Zentrifugen zur Urananreicherung getestet.

Frankreichs Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire verhandelte in Washington mit seinem Kollegen Steven Mnuchin. Er will erreichen, dass die USA einer Kreditlinie für Iran zustimmen und Ausnahmegenehmigungen von den Ölsanktionen erteilen, die es Drittländern ermöglichen würden, iranisches Öl zu kaufen, ohne drohende Strafen in den USA. Trump hatte solche Genehmigungen für acht Länder im Mai auslaufen lassen. Seither sind Irans Ausfuhren eingebrochen. Trump hatte beim G-7-Gipfel in Biarritz davon gesprochen, man müsse Kredite für Iran in Erwägung ziehen, die von einer Reihe von Ländern bereitgestellt werden könnten. Dagegen schloss er es aus, die Sanktionen auch nur vorübergehend zu lockern.

Rohanis Weigerung, Trump zu treffen, stellt die französischen Vermittler vor Schwierigkeiten

Stattdessen erhöhte die US-Regierung am Mittwoch sogar noch den Druck und verhängte weitere Sanktionen. Mehr als zwei Dutzend Firmen, Personen und Schiffe wurden mit Strafmaßnahmen belegt. Ihre Vermögen in den USA werden eingefroren, Geschäfte mit ihnen untersagt. Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian sagte mit Blick auf Kredite, eine zumindest stillschweigende Zustimmung der USA wäre von entscheidender Bedeutung. Neben der Rückkehr zur vollständigen Einhaltung des Atomabkommens müsse Iran die Sicherheit im Persischen Golf garantieren sowie in Verhandlungen über regionale Sicherheitsfragen und sein Atomprogramm nach 2025 einwilligen - ein Anreiz in Richtung eines umfassenden Deals, wie er Trump vorschwebt. Von 2025 an laufen die meisten Beschränkungen für Irans Atomprogramm aus, ein wichtiger Kritikpunkt der USA an dem Abkommen. Anders als Präsident Emmanuel Macron nannte Le Drian nicht explizit Irans Programm für ballistische Raketen. Gespräche darüber hatte Iran als rote Linie bezeichnet. Allerdings machte Irans Vizeaußenminister Araghchi klar, dass es bei den möglichen Verhandlungsthemen große Differenzen gebe. Diplomaten sagten zudem, bisher sei unklar, ob die 15 Milliarden Dollar erreicht werden könnten oder wer sie finanzieren solle. Eine Kreditlinie aus dem Budget europäischer Staaten gilt rechtlich als problematisch. Rohanis Weigerung, Trump zu treffen, stellt Frankreichs Vermittler vor Probleme. Die einzige Folge werde sein, dass Iran die 15 Milliarden nicht erhalten werde, sagten Diplomaten. Als gutes Zeichen wurde gewertet, dass Iran sieben der 23 Crewmitglieder des von Revolutionsgarden aufgebrachten britischen Tankers Stena Impero freilassen will.

© SZ vom 05.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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