Atomabkommen:Sorge um Trumps Störmanöver

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Europäische Diplomaten warnen vor einer "scharfen Eskalation" des Konflikts zwischen USA und Iran. Die Revolutionsgarden drohen bereits mit Vergeltung, sollte das Land kein Öl mehr verkaufen können.

Von Paul-Anton Krüger, München

Dem Regime in Iran den Zugang zu seiner wichtigsten Geldquelle zu verwehren, ist erklärte Politik von US-Präsident Donald Trump. Gerade sind die Ausnahmen ausgelaufen, mit denen er acht Ländern noch den Kauf von iranischem Öl ermöglicht hatte. Offen ist, wie erfolgreich Amerika mit dem Versuch sein wird, die iranischen Exporte "auf null zu reduzieren". Teheran hat in den Jahren vor dem Atomabkommen Erfahrung gesammelt, wie sich Embargos umgehen lassen. Interessierte Kunden gibt es, vor allem wenn Öl mit deutlichem Nachlass auf den Weltmarktpreis zu haben ist. Dennoch bereitet Trumps "Kampagne des maximalen Drucks" europäischen Diplomaten Kopfzerbrechen.

Sie fürchten eine gefährliche Zuspitzung der Konfrontation zwischen den USA und Iran - und dass Hardliner wie Trumps Sicherheitsberater John Bolton gezielt darauf hinarbeiten, der einem Regimewechsel in Iran das Wort redet und immer wieder auch ein militärisches Vorgehen gegen Iran gefordert hat. Eine "scharfe Eskalation" in den kommenden Monaten sei leider wieder ein realistisches Szenario, heißt es.

Das speist sich nicht allein aus Warnungen etwa des iranischen Vizeaußenministers Abbas Araghchi, der sagte, das Wiener Atomabkommen bewege sich wegen der Verschärfung der Öl-Sanktionen "rapide Richtung Endpunkt". Diplomaten fürchten, dass Trump mit einem weiteren Störmanöver versuchen könnte, das Abkommen endgültig zu Fall zu bringen. Der US-Präsident müsste nämlich auch Sanktionsausnahmen für die zivile nukleare Zusammenarbeit verlängern, die sonst ebenfalls auslaufen. Bis Donnerstagabend war nicht klar, ob er das tun würde. Innerhalb der US-Regierung gab es heftigen Streit darum.

Die im Atomabkommen verbliebenen Vertragsparteien Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Russland und China haben mit Iran vereinbart, einen Schwerwasserreaktor in Arak und die verbunkerte Urananreicherungsanlage in Fordow umzubauen. Damit soll verhindert werden, dass sie militärisch genutzt werden können. Wenn diese Arbeiten, die auch im Sinne der USA seien, nicht fortgesetzt werden könnten, haben wir ein "Riesenproblem", heißt es in Diplomatenkreisen.

In Iran ist die Regierung von Präsident Hassan Rohani wegen der Wirtschaftskrise ohnehin schwer unter Druck: Die Landeswährung Rial ist kollabiert. Der Internationale Währungsfonds warnt, die Inflation könnte bald 50 Prozent erreichen. Das schürt in einigen Hauptstädten auch Sorge vor neuen Flüchtlingsbewegungen. Iraner, von denen viele Angehörige in Deutschland haben, könnten das Land verlassen und versuchen, nach Europa zu gelangen, aber auch die etwa drei Millionen afghanischen Flüchtlinge, die in Iran leben.

Die Revolutionsgarden drohen mit Vergeltung, sollte Iran kein Öl mehr verkaufen könne

Einflussreiche Ultrakonservative in Teheran werten die US-Sanktionen als Bestätigung ihrer Warnung vor Verhandlungen mit dem Erzfeind. Sie werfen Rohani und seinem Außenminister Mohammad Jawad Zarif Naivität vor und wollen die Uran-Zentrifugen am liebsten morgen wieder anfahren - und das Abkommen ebenfalls kündigen. Auch drohen die mächtigen Revolutionsgarden mit Vergeltungsmaßnahmen, sollte Iran kein Öl mehr verkaufen können. Dann werde dies auch keinem anderen Land am Golf mehr möglich sein, sagte etwa der Marine-Chef der Elite-Truppe, Alireza Tangsiri. Es ist die kaum verhüllte Drohung mit einer Blockade der Straße von Hormus. Durch die strategisch wichtige Meerenge wird ein Drittel der weltweiten Rohöllieferungen verschifft. Sollte Iran sie abriegeln, würde das unvermeidlich zu einer militärischen Konfrontation führen.

An die Spitze der Garden hat der Oberste Führer Ali Chamenei vor zwei Wochen Hossein Salami berufen. Der zugleich zum Generalmajor beförderte Veteran des Krieges gegen den Irak gilt selbst in Iran als radikale Figur. Trump hatte die Revolutionsgarden und damit den schlagkräftigsten Teil des iranischen Militärs zur Terrororganisation erklärt. Der auch im Streit über die Iran-Politik zurückgetretene Verteidigungsminister James Mattis hatte dies entschieden abgelehnt, maßgeblich weil sich US-Truppen und die Revolutionsgarden etwa im Golf immer wieder nahekommen. Iran hat deshalb alle US-Truppen im Nahen Osten als Terroristen gebrandmarkt.

Ein Diplomat erinnert an einen Zwischenfall im Januar 2016, als ein Boot der US-Marine in iranische Gewässer eindrang - wegen eines technischen Defekts. "Damals rief John Kerry direkt Zarif an, und ein paar Stunden später waren die Soldaten wieder draußen", sagt er. Jetzt gebe es nicht einmal direkte Kommunikationskanäle zwischen Washington und Teheran. Da sei das Risiko groß, dass man in eine Krise schlittere, ohne dass es eine der Seiten bewusst anstreben, aber sich die Eskalation dann nicht stoppen lasse. Was nicht heißt, dass es nicht zumindest taktische Gesprächsangebote gibt: Trump ließ den Iranern mehrmals seine Bereitschaft zu Verhandlungen übermitteln. Das blieb ohne Antwort, wohl schon auch, weil Washington öffentlich Maximalforderungen gestellt hat, die einer Kapitulation Irans gleichkommen. Irans Außenminister Zarif brachte jüngst öffentlich Konsultationen über einen Gefangenaustausch ins Spiel - nachdem er zuvor aus Washington keine Reaktion bekam.

© SZ vom 03.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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