Asien:Leise Signale aus Tokio

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Japan und China gehen aufeinander zu. Beide Seiten wollen einen direkten Draht einrichten, um Zwischenfälle rund um die umstrittenen Senkaku-Inseln zu klären.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Japan und China haben sich darauf geeinigt, eine Hotline für Notfälle im ostchinesischen Meer einzurichten. Diese soll die Kommandos ihrer jeweiligen Armeen miteinander verbinden, um Zwischenfälle und Missverständnisse vor allem um die Senkaku-Inseln zu vermeiden. Die vier Felsen im Meer und die umliegenden Gewässer werden von Japan kontrolliert, aber auch von China und Taiwan beansprucht.

Über die Einrichtung einer solchen Hotline hatten die beiden Regierungen seit zehn Jahren verhandelt. Wie man sich diese nun technisch vorstellen soll, dazu gab es zunächst keine Auskünfte. Sicherlich jedenfalls ist es keine Drahtverbindung zwischen zwei altmodischen Telefonapparaten, wie etwa jene Hotline, die Süd- und Nordkorea seit 45 Jahren verbindet, seit vier Jahren allerdings nicht mehr benutzt wurde. Nordkorea beantwortet die Kontrollanrufe nicht.

Aus Tokioter Sicht gehören die Senkakus zu Japan, da sie im 19. Jahrhundert von Japanern als Terra Nullius besiedelt wurden. Japan rechtfertigt seinen Anspruch mit alten Karten und einem chinesischen Dankesschreiben für die Rettung von Fischern, welches zeige, dass Peking die Souveränität Tokios über die Inseln implizit anerkannte. China argumentiert ebenfalls mit alten Seekarten. Vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis 1972 kontrollierten die USA die seit 1945 unbewohnten Inseln, sie benutzten sie als Übungsgelände für Bombenangriffe. Als Washington das ebenfalls besetzte Okinawa 1972 an Tokio zurückgab, ging die Kontrolle über die Senkaku-Inseln mit. Die USA unterstrichen allerdings, daraus leite sich keine Souveränität Japans über die Inseln ab.

Abe hat sich bislang als Hardliner gegenüber China profiliert. Aber er ist auch Pragmatiker

Von dieser Neutralität Washingtons wich erst US-Außenministerin Hillary Clinton ab. Peking und Taipeh haben die Inseln nie als japanisch akzeptiert. Während ihrer Normalisierungsgespräche in den 1970er-Jahren einigten sich Japan und China jedoch, die Inselfrage auf Eis zu legen. Das gelang einigermaßen, bis der damalige japanische Außenminister Seiji Maehara und Tokios Bürgermeister Shintarō Ishihara zu Beginn dieses Jahrzehnts ihren fragilen Status sabotierten. Seither provoziert China Japan, indem es Fischerboote, Schlachtschiffe und Bomber in die von Japan beanspruchte Hoheitszone schickt. Eine Hotline ist deshalb dringend nötig.

Der japanische Premier Shinzo Abe ist ein Nationalist, er hat sich bisher als Hardliner gegenüber China profiliert. Doch Abe ist auch Pragmatiker. Als solcher hat er sich Donald Trump an den Hals geworfen. Aber das Verhältnis zu Washington ist fragiler, als es scheint. Und China ist Japans bei Weitem wichtigster Wirtschaftpartner. Abe weiß, dass er China braucht, um Nippons Wirtschaft dauerhaft wiederzubeleben. Japan kann auch von Chinas neuem Seidenstraßen-Projekt profitieren. Zudem erhofft sich Abe eine aktivere Hilfe Pekings zur Bewältigung der Nordkorea-Krise. Er fährt allerdings zweigleisig. Einerseits rüstet er Japan militärisch auf und stärkt die Allianz mit den USA. Damit richtet er sich durchaus gegen China. Andererseits bemüht er sich neuerdings um Nähe zu Peking. Das begann mit der Ernennung seines parteiinternen Kritikers Tarō Kōno zum Außenminister im Sommer. Kōno ist der Sohn von Yohei Kōno, dem Verfasser der "Kōno-Erklärung", mit der Japan eingestand, dass seine Armee im Zweiten Weltkrieg Hunderttausende Frauen, neben Koreanerinnen auch Chinesinnen, in Feldbordelle zwang. Abe wollte diese Erklärung lange widerrufen. Die Ernennung Kōnos ist als Zeichen der Versöhnung an Peking und Seoul zu deuten. Solche Signale haben in Asien Gewicht.

Peking nimmt die Avancen positiv auf - und spricht von Hoffnung auf bessere Zusammenarbeit

Ende September tauchte Abe, begleitet von Kōno, am Empfang der chinesischen Botschaft in Tokio zu Chinas Nationalfeiertag auf. Es war das erste Mal in 15 Jahren, dass ein japanischer Premier teilnahm. Abe soll sich spontan dazu entschieden haben. In einer Rede sagte er, er sei bereit, sich für die Stärkung der sino-japanischen Beziehungen einzusetzen. Sein nächster Schritt werde sein, China zu besuchen. Dann werde er Chinas Präsident Xi Jinping nach Japan einladen. Er hat große Delegationen von Parlamentariern und Geschäftsleuten nach Peking geschickt und am Rande internationaler Konferenzen mit Chinas Premier Li Keqiang gesprochen. Beim Asean-Gipfel verzichtete er, anders als bei ähnlichen Gelegenheiten, darauf, Chinas Hegemonial-Ansprüche im südchinesischen Meer anzusprechen.

China nimmt Abes Avancen positiv auf. Ein Sprecher des Außenministeriums in Peking sagte, 2018 jähre sich der Friedensschluss zwischen Japan und China zum 45. Mal. Peking hoffe, beide Seiten könnten dies zum Anlass nehmen, ihre Zusammenarbeit zu verbessern. Zu Abes Kurskorrektur gehört auch eine Reaktivierung des Dreiergipfels mit China und Südkorea, der nach Vereinbarung von 2008 an jährlich stattfinden sollte, aber seit Abes Amtsantritt nur ein einziges Mal veranstaltet wurde. Doch dazu müssen Peking und Seoul auch ihre Differenzen ausräumen. Das wollen die Präsidenten der beiden Länder bei einem Treffen diese Woche tun.

© SZ vom 11.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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