Asean-Staaten und China:Zank ums Meer

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Der Ton wird schärfer, die Konfrontationen auf See immer unberechenbarer: China beansprucht Bodenschätze und Fisch in Südostasien für sich. Die Länder in der Region zwingt das zu mehr Miteinander.

Von Arne Perras, Singapur

Im winzigen Sultanat Brunei kommen nun die ganz großen Fragen der asiatischen Sicherheitspolitik auf den Tisch. Es tagen die Länder Südostasiens, unter dem Schirm des Verbandes Asean. Dessen Mitglieder wissen nicht immer so genau, was sie eigentlich miteinander verbindet. Einigkeit ist jedenfalls bislang keine der herausragenden Stärken im Asean-Verband gewesen, zu sehr streben die nationalen Interessen oftmals auseinander.

Und so ist es auch bei einer Frage, die nun diesen Gipfel am Mittwoch und Donnerstag dominieren dürfte: Wie sollen es die Staaten halten mit dem großen Nachbarn China? Gerade jetzt ist das brisant, da Peking doch mit aller Kraft nach Süden drängt und sich vielerorts breitmachen will, wo auch andere Flagge zeigen wollen.

All diese Reibereien spielen sich auf dem Meer südlich von China ab, in einem äußerst rohstoffreichen Gebiet, von dem man jetzt schon nicht mehr weiß, wie man es eigentlich nennen soll. Was Peking als Südchinesisches Meer bezeichnet, heißt bei der Regierung in Manila die Westphilippinische See. Das aber beschreibt nur eine von vielen Fronten, die sich zwischen den vielen tropischen Inseln auftun. Nicht nur die Philippinen, auch Vietnam, Malaysia, Brunei und sogar Taiwan erheben Ansprüche, die nicht so recht in die Seekarten Pekings passen wollen.

"Maritime Streitfragen" nennen das die Diplomaten, ihre Akten sind vollgestopft mit historischen Karten und alten Dokumenten, um den jeweils eigenen Anspruch auf ein Territorium zu untermauern oder den des Rivalen zu torpedieren. Und wenn es auch nur, wie im Falle des sogenannten Scarborough-Riffs, um ein paar Felsen oder Riffe geht, die kaum aus dem Wasser ragen. Öl, Gas und ein großer Fischreichtum wecken bei allen Staaten der Region Begehrlichkeiten. Und als einer der wichtigsten Seewege der Welt ist das Gebiet südlich von China für die globale Wirtschaft von besonderer Bedeutung. Vielleicht auch deshalb formulierte der frühere indische Außenminister Mallaiah Krishna einmal den Satz: "Das Südchinesische Meer gehört der ganzen Welt".

Wie heftig sich aber schon Asean-Staaten untereinander über die vielen kleinen Inseln im Meer zanken können, war im vergangenen Jahr zu beobachten, als sich die zehn Mitglieder bei ihrem Gipfel in Kambodscha nicht einmal auf ein Abschlusskommuniqué einigen konnten. Das gab es noch nie in der 45-jährigen Geschichte von Asean. Schuld waren die schwelenden Streitigkeiten mit dem großen Nachbarn China. Gastgeber Kambodscha, ein Land, das treu zu Peking steht, wollte dieses Thema nicht erwähnt sehen, was wiederum die Philippinen und Vietnamesen erboste und schließlich zum Eklat führte.

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Peking hat diese Zerrissenheit immer wieder ausgenutzt und drang auf bilaterale Lösungen mit einzelnen Staaten. Als stärkste Macht in Asien hatte es China mit dieser Methode immer am leichtesten. Aber wird es auch so bleiben? Die Töne werden schärfer, und die Konfrontationen auf See immer unberechenbarer. Außerdem wird die Lage auch durch einen wachsenden Argwohn der Chinesen kompliziert, die USA könnten die Insel-Streitigkeiten dazu nutzen, ihren Einfluss in Südostasien weiter auszudehnen, also in unmittelbarer Nachbarschaft Chinas. So geraten die Staaten der Region zunehmend in den Sog der beiden großen rivalisierenden Mächte im Pazifik. Das macht eine Einigung noch schwerer.

Dennoch wird Asean nun unter dem Vorsitz von Brunei ausloten, ob die Südostasiaten nicht doch noch einen Weg finden, um gemeinsam auf China zuzugehen und feste Regeln auszuhandeln, damit Konfrontationen künftig vermieden oder zumindest leichter entschärft werden können. In den Vorbereitungen zum Gipfel sei klar geworden, dass Asean auf einen Pakt mit China hinarbeiten wolle, erklärte der philippinische Außenminister Albert del Rosario.

Indonesien, das Schwergewicht im Asean-Verband, formuliert die Ziele etwas bescheidener. Es sei bei diesem Gipfel schon viel gewonnen, wenn sich die Dinge nicht weiter verschlechterten, hieß es in Jakarta. Niemand rechnet damit, dass das Treffen den Durchbruch bringt. Ob und wann sich Peking auf Gespräche mit Asean über maritime Ansprüche überhaupt einlassen könnte, kann niemand absehen. Viele halten dies für unwahrscheinlich. Dauerhafte Lösungen für die teils sehr komplizierten Gebietsstreitigkeiten liegen ohnehin in weiter Ferne.

Peking fühlte sich zuletzt von den Philippinen massiv provoziert, weil Manila es gewagt hatte, zur Lösung seiner maritimen Streitfragen ein Schiedsgericht der Vereinten Nationen anzurufen. China hat dies zurückgewiesen; ob das Tribunal den Fall dennoch verhandeln wird, ist noch nicht entschieden.

Auch Differenzen zwischen Vietnam und China wegen der Paracel-Inseln sind kürzlich wieder offen aufgebrochen. Bei den betroffenen Staaten des Südens herrscht oftmals Frustration darüber, dass Peking einfach Fakten schafft. Entweder ziehen die Chinesen auf den kleinen Inseln ihre Siedlungen hoch und ignorieren die Ansprüche der anderen. Oder sie schüchtern Boote der kleineren Nationen mit ihren bewaffneten Marineschiffen ein, um klarzumachen, "wer der Stärkste auf dem Schulhof ist", wie das ein westlicher Diplomat beschreibt.

In den Häfen der Philippinen sitzen jedenfalls schon zahlreiche Fischer, die sich nicht mehr hinaustrauen in ihre früheren Fanggebiete, weil dort jetzt die Chinesen patrouillieren.

© SZ vom 24.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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