Asean:Bündnis mit Bremsen

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Der Staatenbund hat Südostasien erstaunlich viel Wohlstand und Stabilität beschert. Aber er schweigt zu den großen Fragen der Globalisierung, die nicht zuletzt durch sein eigenes Wachstum die Welt prägt. Und er kuscht vor China. Warum nur?

Von Tobias Matern

Wer sich gerne mit Zahlen beschäftigt, findet hier Grund zur Freude: Der südostasiatische Staatenverbund Asean hat stabile Wachstumsraten von fünf Prozent im Jahr zu verzeichnen, Musterschüler bringen es sogar auf acht Prozent. Bis 2020, so die Prognosen, wird Asean die fünftgrößte Wirtschaftsmacht der Welt sein. Die 650 Millionen Einwohner der zehn Mitgliedstaaten leben in relativer Stabilität; bis auf einige Grenzscharmützel zwischen Thailand und Kambodscha drohen keine bewaffneten Konflikte. Auch drei große Weltreligionen existieren hier friedlich nebeneinander.

Zum 50. Geburtstag von Asean gibt es dieser Tage beim Gipfeltreffen auf den Philippinen also auch gute Gründe zu feiern. Bei der Entstehung Aseans 1967 hätten die wenigsten Beobachter überhaupt damit gerechnet, dass dieser Verbund so lange hält: Der Vietnamkrieg, die Blockkonfrontation zwischen den USA und der Sowjetunion lähmten die Region, die fünf Gründungsmitglieder (Thailand, Indonesien, Malaysia, die Philippinen und Singapur) wollten auch ein Bollwerk gegen den Kommunismus schaffen. Selbst die geopolitische Zeitenwende mit dem Kollaps der Sowjetunion Anfang der 1990er-Jahre hat nicht zur befürchteten Balkanisierung der Region geführt. Asean hatte durch die Integration neuer Mitglieder wie etwa Vietnam einen stabilisierenden Einfluss.

Der Staatenbund könnte mehr tun für Gerechtigkeit und Sicherheit

Das ist die positive Seite, aber es gibt auch Anlass, zum Geburtstag mit Asean zu hadern - vor allem für das, was der Verbund nicht tut. Er nutzt sein ökonomisch gewachsenes Kapital nicht aus, um daraus politischen Nutzen zu ziehen, um sich etwa in die Mega-Debatte dieser Zeit einzubringen: Wie lässt sich die Globalisierung human gestalten? Als Produzent westlicher Konsumgüter wie Autos, Turnschuhe und Handys betreiben die Asean-Staaten regen Handel mit der EU und den USA. Frische Antworten auf die sozialen Probleme der Globalisierung, auf miese Löhne und mangelnden Schutz für Arbeiter sind von Asean nicht zu hören (das Bündnis wird vom Westen allerdings auch nicht dazu gedrängt). Im Asean-Verbund wird nach dem Prinzip musyawarah und mufakat verhandelt: Der aus dem indonesischen System adoptierte Mechamismus von Konsultation und Konsens beherrscht die Zusammenkünfte - nicht immer zum Guten.

Der Mangel an Gestaltungswillen hat auch einen Grund: Die Staaten der Region blicken zu sehr auf sich und werden zunehmend autoritär geführt - eine Entwicklung, die der Westen seit Jahren routiniert ausblendet. Während die Wirtschaft wächst, schrumpfen die demokratischen Spielräume. Thailand beispielsweise ist inzwischen fest im Griff des Militärs, Pluralismus unerwünscht. Vietnam verharrt in seinem an China angelehnten Modell. Das kommunistische Einparteiensystem protegiert eine liberal-marktwirtschaftliche Ordnung, verhindert aber Meinungsvielfalt. Die Regierungen in Malaysia und Kambodscha geben der Opposition wenig Raum zum Atmen. Und dass Myanmars Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi zu bedeutenden ethnischen Problemen in ihrem Land keine Worte mehr findet, ist mehr als bedauerlich.

Asean schöpft sein Potenzial auch beim Krisenmanagement nicht aus: Zum Südchinesischen Meer, das China für sich beansprucht, fabrizierte der Verbund lange nur diplomatische Floskeln, als zu bedrohlich gilt Chinas Macht. Dabei könnte die Versammlung der Nachbarstaaten als geeinter, multilateraler Akteur Peking durchaus etwas entgegensetzen. Aber Asean hat sich lange spalten lassen. Nun haben sich die Mitglieder bei ihrem Geburtstagsgipfel dazu durchgerungen, ihren Unmut über Chinas Muskelspiele in den Gewässern zum Ausdruck zu bringen. Sanft im Ton, aber immerhin.

© SZ vom 08.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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