ARD-Bericht:Die Mühlen der Quarantäne

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Eine Reihe von Tönnies-Mitarbeitern wurde offenbar zu Unrecht isoliert.

Von Markus C. Schulte von Drach, München

Nach einem Bericht des WDR-Politmagazins "Monitor" sind eine Reihe von Mitarbeitern der Firma Tönnies offenbar zu Unrecht unter Quarantäne gestellt worden. Hunderte entsprechende Anordnungen wurden demnach am 17. Juli in Städten des Kreises Gütersloh zugestellt. Dem Magazin zufolge handelte es sich aber in manchen Fällen um Menschen, die fälschlich als Infizierte betrachtet wurden, andere waren ehemalige Patienten, die nicht mehr als ansteckend galten und sich schon nicht mehr in Quarantäne befanden. Dass es zu Problemen gekommen ist, räumen die Behörden ein. Was genau zu den Irrtümern geführt hat, ist allerdings noch nicht ganz klar.

Konkret geht es um die Verlängerung der Quarantäne bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Tönnies und ihren Kontaktpersonen, die zu Beginn des Ausbrauchsgeschehens in dem Fleischunternehmen unter eine "Vorratsquarantäne" gestellt worden waren. Ganze Häuserblocks waren davon betroffen. Anschließend hatten mobile Teams Corona-Patienten identifiziert, die dann gesondert untergebracht wurden.

Die Zeit drängte und offenbar wurde oft das falsche Musterschreiben verschickt

Bis zum 17. Juli galt eine Verlängerung der "Allgemeinverfügung" der Quarantäne für alle. Bis dahin mussten die mobilen Teams herausfinden, für wen die Maßnahme individuell verlängert werden sollte. Die Zeit wurde allerdings knapp. Erst am 17. Juli selbst, am Vormittag, ging etwa in Rietberg die Mail des Gesundheitsamtes mit der Liste der betroffenen Personen ein - gemeinsam mit einem Musterschreiben für die Anordnung der Quarantäne. In den Ordnungsämtern wurden die zugehörigen Adressen herausgesucht, die Namen in das Musterschreiben eingefügt, dann wurden die Anordnungen zugestellt. Bei manchen Betroffenen war es da bereits kurz vor Mitternacht und das Ende des Eingesperrtseins schien unmittelbar bevorzustehen.

Dass es unter dem Druck, die Frist einzuhalten, zu Fehlern kam, schließt Beate Behlert vom Gesundheitsamt des Kreises Gütersloh nicht aus. Eine mögliche Ursache dafür sieht sie in einem falschen Musterschreiben, das in manchen Fällen verwendet worden sein könnte. Es gibt eines für Infizierte, aber auch eines für Kontaktpersonen, die ebenfalls in Quarantäne bleiben müssen. Eine Verwechslung würde zu falschen "Positiv-Bescheiden" führen. In Rietberg aber, so sagt Nina Ackfeld von der Pressestelle im dortigen Rathaus, ist nur die Vorlage für die Infizierten angekommen und verwendet worden, nicht aber die für die Kontaktpersonen. Im Endeffekt dürfte dann die Quarantäne bei manchen Personen zwar zu Recht angeordnet worden sein, aber mit einer falschen Begründung. Im Gesundheitsamt aber war man davon ausgegangen, dass in den Kommunen alle notwendigen Vorlagen vorhanden waren.

Wie Behlert einräumt, könnten Personen darüber hinaus tatsächlich irrtümlich auf die Listen des Gesundheitsamtes geraten sein. Es handelt sich, so Behlert, um Listen mit Tausenden Namen von Menschen, deren Adressen sich teils nur mühsam feststellen ließen. So könnte es zu Verwechslungen gekommen sein, auch Schreibfehler in den Namen der osteuropäischen Mitarbeiter sind nicht ausgeschlossen. Behlert kann die Frustration unter den Betroffenen gut verstehen. Aber sie sagt auch: "Es ist bei uns inzwischen kein Mensch mehr an Corona gestorben. Und das Virus ist von Tönnies aus kaum in die übrige Bevölkerung übergesprungen."

© SZ vom 31.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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