Arbeitszeit:Müsli statt Mail

Nicht alles im Streit um flexible Arbeitszeiten muss man ernst nehmen.

Von Detlef Esslinger

Zahllos sind die Fälle, in denen Diskutanten aus einer Mücke einen Elefanten machen; eine davon ist die Debatte um Arbeitszeiten und Arbeitszeitgesetz. Weil dazu zwar längst alles gesagt ist, aber noch nicht vom Vorsitzenden der "Wirtschaftsweisen", hat nun auch dieser "flexiblere" Arbeitszeiten angemahnt. Firmen bräuchten Sicherheit, "dass sie nicht gesetzwidrig handeln, wenn ein Angestellter abends noch an einer Telefonkonferenz teilnimmt und dann morgens beim Frühstück seine Mails liest".

Solch ein Szenario spielt darauf an, dass das Gesetz elf Stunden Pause zwischen Arbeitsende und -beginn vorschreibt. Es ist das Lieblingsbeispiel mancher Arbeitgeber und ihnen Nahestehender, um zu zeigen, wie überholt das deutsche Arbeitsrecht angeblich ist. Sie stellen sich damit netterweise Gewerkschaften als Feindbilder zur Verfügung: Da sieht man wieder, wie die Kapitalisten den Profit über den Menschen setzen!

In Wahrheit sind es nur die allerwenigsten Arbeitnehmer, die abends um elf noch mit Singapur telefonieren müssen. In Wahrheit dürfte es sich dabei oft um diejenigen handeln, die eh über Tarif bezahlt werden. Zudem gibt es Arbeitnehmer, die gehen in ihrem Beruf ein bisschen zu sehr auf. Kein Chef kann ihnen diktieren, beim Frühstück Mails zu lesen. Ein Gesetz sollte andere Dinge regeln, als Menschen daran zu erinnern, sich beim Frühstück bitte aufs Frühstück konzentrieren.

© SZ vom 13.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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