Arbeitsrecht:Über den eigenen Schatten

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Wochenlang hatte die Union den Gesetzentwurf zur befristeten Teilzeit blockiert, aus Sorge um die Arbeitgeber. Nun hat das Kabinett doch zugestimmt - trotz fachlicher Bedenken.

Von Henrike Roßbach und Mike Szymanski, Berlin

Mehr Zeit für Kinder durch Teilzeitarbeit – und gleichzeitig eine Sicherheit haben, später wieder Vollzeit arbeiten zu können: Darum geht es in dem neuen Gesetzentwurf der Koalition. (Foto: imago)

Es sei "ohne Zweifel" ein besonderes Gefühl, den ersten Gesetzentwurf als Minister durchs Kabinett gebracht zu haben, sagte Hubertus Heil (SPD) am Mittwoch. Dass die Laune des Bundesarbeitsministers durchaus besser war als die aktuelle Stimmung in der Bundesregierung, ist kein Wunder. Wochenlang hatte die Union Heils Gesetzentwurf zur "Brückenteilzeit" blockiert - obwohl die Details eigentlich schon in den Koalitionsverhandlungen festgezurrt worden waren. Es geht um ein neues Recht für Arbeitnehmer, für eine gewisse Zeit weniger arbeiten zu dürfen, dann aber wieder Anspruch auf eine Vollzeitstelle zu haben. Umgekehrt soll es Teilzeitkräften erleichtert werden, ihre Stundenzahl aufzustocken. Dass es nun geklappt hat mit der Zustimmung des Kabinetts, führte dementsprechend zu Erleichterung bei Heil. Was zuvor alles passiert war, fasste er am Mittwoch nur noch mit dem Satz zusammen: "Sie kennen die Vorgeschichte."

Die aber hatte bis in den Dienstagnachmittag hinein gedauert. Am Morgen hatte die CSU noch verbreitet, Heils Entwurf werde abermals nicht auf der Tagesordnung des Kabinetts stehen. Was folgte, waren weitere Gespräche und dann auf einmal doch grünes Licht: Heil und SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles teilten mit, der Gesetzentwurf werde trotz einer anderslautenden Ankündigung von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt vom Kabinett beschlossen werden.

Kampflos wollte die in Sachen Masterplan Asyl gerade düpierte CSU nicht vom Platz gehen

Ganz kampflos wollte die aktuell in Sachen Masterplan Asyl düpierte CSU allerdings nicht vom Platz gehen. Die CSU-geführten Ministerien bestanden auf einer Protokollnotiz zur Kabinettssitzung. Dem Vernehmen nach gaben sie darin an, dem Entwurf zwar trotz fachlicher Bedenken zuzustimmen - das aber nur, weil Heil ausdrücklich zugesichert habe, dass die Arbeitgeber den Gesetzentwurf nun wirklich mittragen würden. Heil sagte dazu, er habe das "zur Kenntnis genommen".

Stein des Anstoßes war die sogenannte Beweislastumkehr. Heil wollte nicht nur einen Rechtsanspruch auf befristete Teilzeit einführen. Er wollte auch etwas tun für Arbeitnehmer, die heute schon in Teilzeit arbeiten, aber gerne in Vollzeit zurückkehren wollen, vor allem Frauen. Sie sollten einen Anspruch bekommen, dass ihr Chef ihren Fall mit ihnen bespricht und sie für freie Vollzeitstellen bevorzugt. Und: Anders als bisher sollte der Arbeitgeber bei einer Ablehnung des Vollzeitwunsches nachweisen, dass es keine passende Stelle gibt.

Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) lief deswegen Sturm - was erwartungsgemäß die Union in Bewegung setzte. Die Sorge der Arbeitgeber war, dass ihnen die Organisationshoheit über die Personalplanung entrissen wird. Dass sie also zum Beispiel schon dann eine Vollzeitstelle schaffen müssen, wenn ein Teilzeitarbeitnehmer auf Überstunden in der Firma hinweist, die ja zu einer neuen Stelle für ihn addiert werden könnten.

Um den Streit beizulegen, wurde der Gesetzestext ergänzt - um eine Passage, deren Bedeutung sich Nicht-Juristen allerdings nicht gerade auf den ersten Blick erschließt. Genau genommen wurde definiert, was "ein freier zu besetzender Arbeitsplatz" ist - nämlich eine Stelle, die der Arbeitgeber aus freien Stücken zu schaffen beschlossen hat. "Ein tragfähiger, aber teils schmerzhafter Kompromiss", hieß es am Ende von der BDA. "Da steckt das Wort Akzeptanz ja irgendwie auch schon drin", kommentierte Heil.

Neben Verbesserungen für heutige Teilzeitkräfte steht im Zentrum des Gesetzesvorhabens aber vor allen der Anspruch, künftig für ein bis fünf Jahre die Arbeitszeit verringern zu können - inklusive eines Rückkehrrechts zur Vollzeit. Um kleine Betriebe nicht zu überfordern, sind Unternehmen mit bis zu 45 Mitarbeitern ausgenommen. Bei Firmen mit bis zu 200 Mitarbeitern darf nur einer je 15 Mitarbeiter die "Brückenteilzeit" in Anspruch nehmen. Etwa 22 Millionen Beschäftigte könnten in den Genuss der neuen Regeln kommen. "Im Kern geht es darum, dass die Arbeit zum Leben passt", sagte Heil. In Kraft treten soll die Neuregelung zum 1. Januar, der Entwurf muss aber noch durchs Parlament. Die Gewerkschaften sprachen von einem wichtigen Schritt zu mehr Selbstbestimmung der Arbeitnehmer. Kritik kam unter anderem vom Handwerk und den Metall-Arbeitgebern.

© SZ vom 14.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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