"Arbeitskreis konservativer Christen":Hass auf Friedman, Verachtung für Fischer

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Eine Gruppe national gesinnter Fundamentalisten teilt das Weltbild des CDU-Abgeordneten Martin Hohmann

Von Matthias Drobinski und Cathrin Kahlweit

(SZ vom 11.11.2003) - Es gibt ihn nicht mehr, den einfachen Klick von Martin Hohmanns Homepage zum Internet-Auftritt des "Arbeitskreises konservativer Christen" unter dem Vorsitz des hessischen CDU-Mitglieds Herbert Gassen aus Bruchköbel.

Martin Hohmann, Urheber der mittlerweile sehr bekannten Rede zum "Tag der deutschen Einheit" mit ihren antisemitischen Tönen und Untertönen, hat das Link von der Internetseite genommen, auf Druck der CDU-Parteispitze in Berlin.

Und so ist aus der gegenseitigen vorerst eine einseitige Liebe geworden: Hohmann weist nicht mehr auf den AKC hin. Doch wer im Internet unter www.a-k-c.de nachschaut, findet dort jede Menge Hohmann: Presse-Erklärungen, eine Solidaritäts-Seite zugunsten des nun unter Druck geratenen Abgeordneten und auch ein Hohmann-Grußwort zum Programm der "konservativen Christen in der CDU".

Einblicke ins gedankliche Umfeld

Man kann also davon ausgehen, dass Hohmann dem nicht abgeneigt ist, was Parteifreund Gassen ins Netz gestellt hat. Und dass er durchaus mit dem übereinstimmt, was die konservativen Christen in ihr Programm schreiben.

Man kann, kurz gesagt, an der Homepage des ACK Einblicke in Hohmanns gedankliches Umfeld gewinnen - und verstehen, warum die CDU-Bundestagsfraktion nun ein Ausschlussverfahren gegen den Abgeordneten aus Fulda eingeleitet hat.

Freunde im Netz

So heißt es im Grundsatzprogramm des AKC zwar, dass die "Verfolgung der Juden" das "dunkelste Kapitel der Geschichte des 3. Reiches ist". Empört ist man aber über die "Privilegierung eines bestimmten Kreises von Geschädigten", was wiederum Schuld der gesellschaftszerstörenden 68er sei.

Die These geht also so: Unter den Nazis haben irgendwie alle gelitten, auch die Deutschen. Eine Gruppe hat daraus Kapital geschlagen: die Juden. Oder, wie es Gassen in aller Schlichtheit formuliert: "Es gibt zwei Problemfelder für uns Deutsche: 1. Das Zusammenleben mit Juden in unserer Republik. 2. Die Politik des Staates Israel."

Am Telefon ist Herbert Gassen ein freundlicher alter Herr, pensionierter Volkswirt und Bänker. Er lacht gern und bittet vergnügt darum, die "Wahrheit" über seine Person zu schreiben und keine "Geschichten".

Sich selbst nennt er sarkastisch einen "unanständigen Deutschen". Seine Wortwahl allerdings straft die Umgangsformen Lügen: Er hasse Michel Friedman, sagt Gassen, und er verachte Grüne wie "Joschka Fischer und wie sie alle heißen, die mit Terror und Gewalt ihre Existenz begründet haben."

Sein Weltbild ist eine krude Melange aus Vaterlandsliebe, Sozialistenhass und antisemitischen Versatzstücken; im Jargon nahe am rechtsextremen Tenor der "Jungen Freiheit", nationalkonservativ und geschichtsklitternd - etwa da, wo der Historiker Ernst Nolte oder der reaktionäre Hobbyhistoriker Alexander Solschenizyn als Zeugen gegen jüdische Missetaten herangezogen werden.

Der AKC sagt von sich selbst, man habe sich "innerhalb der Partei etabliert" und könne "auf die Gesamtorganisation zurückgreifen". Man wolle den "ausgefransten rechten Rand der Partei abdichten" und betrachte sich als "Sauerteig" in der Partei. Die CDU-Zentrale in Berlin betont allerdings, man habe mit dem Arbeitskreis "formal und inhaltlich" nichts zu tun; nun werde überprüft, ob der AKC weiter behaupten dürfe, er sein ein "Arbeitskreis in der CDU".

"Jährliche Geburtstagsgrüße"

Auch die CDU Bruchköbel erklärt, man habe mit Gassen nichts gemein, außer dass er, wie alle Mitglieder, "jährlich seine Geburtstagsgrüße" bekomme. Inwieweit Hohmann hinter jeder Formulierung Gassens steht, ist nicht herauszufinden: Er war auf Anfrage der SZ zu keiner Stellungnahme bereit.

Spannend wäre beispielsweise zu erfahren, was er von Gassens Christentums-Verständnis hält. Ein "konservativer Christ achtet seine Kirche und erschrickt vor ihrer Geschichte", schreibt dieser. Basis des christlichen Konservatismus sei allerdings das "Bewusstsein der über tausendjährigen Geschichte des deutschen Volkes" und nicht so sehr die Konfession - 1933 hätte man dazu "positives Christentum gesagt. Das müsste sich mit der fromm-katholischen Attitüde beißen, mit der Hohmann sich schmückt.

Konservative Katholiken mögen autoritär und klerikal sein - ein antisemitisch unterlegtes Deutschchristentum ist ihnen fremd.

Inzwischen sehen auch die Kirchen, dass die Okkupation des Christlichen durch die Hohmanns und Gassens nicht nur ein Thema der CDU ist, sondern auch ihres. Wolfgang Huber, der neu gewählte Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, hat in der Talkshow Sabine Christiansen schon vom "Missbrauch des christlichen Glaubens" gesprochen; "der Antisemitismus dürfe im Deutschen Parlament keinen Ort" haben.

Ähnlich klare Worte hat es bis zum Montagabend von Hohmanns katholischer Kirche nicht gegeben, was einige Christdemokraten doch ein wenig betrübt hat: Mit beiden Kirchen im Rücken wäre es leichter gewesen, gegen Hohmann vorzugehen.

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