Arabien:Die Unsichtbaren

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Zu Recht empört sich die Welt über Saudi-Arabien wegen des Mordes an dem Journalisten Jamal Khashoggi. Für den Krieg in Jemen aber bringt die Öffentlichkeit wenig Interesse auf. Dabei ist dort erst recht Druck auf die Saudis - und einige andere - nötig.

Von Paul-Anton Krüger

Der Mord an dem saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi wirft ein grelles Schlaglicht auf das Königreich und dessen Umgang mit Kritikern und internationalen Regeln. Hätte jemand den Plot als Drehbuch für einen Thriller geschrieben, wäre er wohl als zu unrealistisch durchgefallen. Vielleicht erklärt das, neben der Tatsache, dass Khashoggi einflussreiche Freunde in westlichen Medien hat, warum diese Geschichte weltweit größtes Interesse erregt. Khashoggi ist als Person nahbar auch für Menschen, die ihn nicht kannten, und der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman ist Projektionsfläche, ein unnahbarer, absoluter Herrscher, dem man alles zutraut.

Erstaunlich aber ist, wie wenig Beachtung anderes findet, das nicht geraunten Andeutungen türkischer Ermittler entspringt, sondern seit Langem bekannt ist. Gerade wieder hat der Nothilfekoordinator der Vereinten Nationen gewarnt, der Hälfte der Menschen in Jemen drohe eine beispiellose Hungersnot. Wenn der Krieg weitergeht, werden 14 Millionen Menschen bald nicht mehr wissen, wo sie ihre nächste Mahlzeit herbekommen.

Falls nur ein Glied der Versorgungskette bricht, etwa der Hafen in Hodeidah bei Kämpfen beschädigt wird, kippt das Land. Dann werden Zehntausende sterben. Das Schicksal der Menschen im ärmsten Land der Arabischen Welt ist allerdings für die Öffentlichkeit weniger greifbar. Sie fliehen, anders als viele Syrer, kaum nach Europa, und es dringt wenig nach draußen - auch weil die saudisch geführte Militärkoalition versucht, Journalisten an Reisen in den von Huthi-Milizen kontrollierten Norden abzuhalten.

Die Verantwortung für die katastrophale humanitäre Situation trägt maßgeblich derselbe Mann, der im Verdacht steht, den Mord an Khashoggi in Auftrag gegeben zu haben: Mohammed bin Salman. In Jemen sind Tausende Menschen durch Bomben saudischer Kampfjets gestorben, aber die Welt blickt nur kurz auf, wenn diese einen vollbesetzten Schulbus zerfetzen und Dutzende Kinder töten. Und Zehntausende sterben an indirekten Folgen des Krieges, wie zum Beispiel Mangelernährung.

So wichtig es ist, den Mord an Khashoggi zu ahnden, so nötig wäre es, den Krieg in Jemen zu beenden. Keine Waffen mehr an Saudi-Arabien zu liefern, ist ein Schritt. Vor allem aber ist eine internationale diplomatische Initiative nötig, um zu einer landesweiten Waffenruhe zu kommen und dazu, dass ungehindert Hilfsgüter geliefert werden können.

Mohammed bin Salman, der als Verteidigungsminister die Intervention veranlasst hat, ist nicht der einzige, auf den Druck nötig ist. Die Vereinigten Arabischen Emirate betreiben die Offensive an der Küste, von ihnen unterstützte Milizen belagern Hodeidah, und trotzdem hat das Image des Landes kaum dunkle Flecken, solange es zulässt, dass Touristen an seinen Stränden Alkohol trinken, Frauen Bikinis tragen können und man in Shoppingmalls sagenhaft billig einkauft.

Auch auf die Huthis und ihre Unterstützer in Iran ist Druck nötig - sie sind nicht die Guten in diesem Krieg: Die Miliz behindert systematisch Hilfsorganisationen, lenkt humanitäre Güter zu ihren Anhängern, geht genauso skrupellos wie Saudi-Arabien gegen Andersdenkende vor. Der Krieg in Jemen ist längst keine eingängige Geschichte mehr. Aber die Menschlichkeit gebietet es, dem Schicksal der Menschen dort endlich die Aufmerksamkeit zu widmen, die ihnen die Welt schuldet.

© SZ vom 25.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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