Anwohner:"Die Menschen haben Angst"

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Der Bürgermeister von Flörsheim über das Leben in der Nähe des Frankfurter Flughafens.

Interview von Gianna Niewel

Flörsheim hat gut 20 000 Einwohner und liegt zentral. Zentral zwischen zwei Landebahnen des Flughafens Frankfurt. Michael Antenbrink ist hier seit fast neun Jahren Bürgermeister.

SZ: Herr Antenbrink, wann sind Sie das letzte Mal geflogen?

Michael Antenbrink: Im September, in unsere türkische Partnerstadt Güzelbahçe.

Da haben Sie es doch sicher zu schätzen gewusst, dass es bis zum Flughafen nur sechs Kilometer sind?

Die Nähe zum Flughafen spart Zeit, ja. Und viele Anwohner arbeiten dort. Ob ich es schätze, dass der Flughafen so nah ist, das ist eine andere Frage. Hier starten und laden bis zu 100 Flugzeuge pro Stunde.

Wie wappnen Sie sich gegen den Lärm?

Ich habe vorher unter dem Dach gewohnt, das würde ich nicht wieder tun. Im Sommer kurz durchlüften? In der Zeit arbeiten Sie nichts. Jetzt haben wir das Schlafzimmer im Keller, wie viele hier. Mehrfach verglaste Fenster und gut gedämmte Dächer reichen nicht immer.

Mit welchen Anliegen kommen denn die Bürger zu Ihnen?

Oft mit Beschwerden. Wird die Flughöhe eingehalten? Landet ein vierstrahliger Airbus nach 23 Uhr? Wenn bei Gewitter die Routen geändert werden, klingelt hier sofort das Telefon. Wenn man im Sommer im Garten grillt, zerhackt der Lärm jedes Gespräch. Und dann höre ich viele Sorgen. Die Grundschule wird sehr niedrig überflogen. Die Eltern sind beunruhigt, weil ihre Kinder so unkonzentriert sind; sie lernen langsamer lesen. Die Lärmstudie gibt ihnen recht. Aber es ist nicht nur der Lärm.

Was denn noch?

Wenn hier eine Boeing 777 nur 250 oder 300 Meter über das Haus donnert, decken die Wirbelschleppen schon mal Ziegel vom Dach ab. Auch wenn es plötzlich dunkel wird, weil ein Jumbo-Jet über Sie fliegt, ist das kein gutes Gefühl. Fluglärm fördert Depressionen? Das kann auch daran liegen, dass die Menschen Angst haben.

Manche in der Region sagen: Was wollen die denn in Flörsheim - jetzt gibt es doch ein Nachtflugverbot.

Das war dringend überfällig. Immerhin zwischen 23 Uhr und fünf Uhr morgens können wir nun schlafen. Aber fünf Uhr ist nicht die Zeit, zu der Sie von startenden Maschinen geweckt werden wollen. Wir fordern, dass das Verbot ausgedehnt wird.

Wie verändert Lärm einen Ort?

Als die Nordwest-Landebahn gebaut wurde, sind viele weggezogen, auch alteingesessene Flörsheimer. Wir müssen viel stärker gegensteuern als andere Kommunen. Wir investieren viel in die Kinderbetreuung. Wir haben eine Kulturscheune für unser Theater ausgebaut, solche Sachen.

© SZ vom 30.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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