Die Bundeswehr bleibt stärker im Kampf gegen die Terrormiliz IS im Irak eingebunden als angenommen. Das Bundeskabinett hat am Mittwoch ein Ergänzungsmandat für den Einsatz der bis zu 700 deutschen Soldaten auf den Weg gebracht, das die Aufgaben für die Soldaten und die rechtlichen Grundlagen teilweise neu definiert. Wie vorgesehen zieht Deutschland zum 31. März zwar seine vier in Jordanien stationierten Aufklärungs- Tornados ab. Sie tragen mit ihren detailgenauen Luftaufnahmen bisher dazu bei, Rückzugsorte des IS ausfindig zu machen. Diese Aufgabe soll Italien von Deutschland übernehmen. Laut Kabinettsvorlage hat Italien bereits die "grundsätzliche Bereitschaft" erklärt, Deutschland mit eigenen Fliegern abzulösen. Dafür bringt sich die Bundeswehr an anderer Stelle stärker ein.
Es war vor allem die SPD, die seit mehr als einem Jahr darauf gedrängt hatte, die Tornados zurückzuholen. Nach Erfolgen im Kampf gegen die Terroristen des sogenannten Islamischen Staates sahen die Sozialdemokraten den Zeitpunkt gekommen, diesen Auslandseinsatz zu beenden. Sie hatten bereits die Zusage von Ex-Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), eine Partnernation zu finden, die Deutschland ablöst. Jedoch konnte sie niemanden präsentieren, als im Herbst 2019 das Mandat ausgelaufen wäre. Vom Irak und der internationalen Anti-IS-Allianz wurde der deutsche Beitrag als so wichtig erachtet, dass die SPD notgedrungen einer Verlängerung des Einsatz der Tornados bis Ende März zustimmte. Nun hält immerhin von der Leyens Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) Wort mit einer Zusage aus Italien. "Die deutsche luftgestützte Aufklärung wird zum 31. März 2020 beendet", heißt es im Kabinettsbeschluss. Das deutsche Tankflugzeug, das die Jets über Irak und Syrien in der Luft mit Treibstoff versorgt, wird jedoch weiter gebraucht. Italien hatte darauf gedrängt, dass Berlin sich nicht auch noch aus dieser Aufgabe zurückzieht, die ebenfalls hoch geschätzt werde. Zudem bringt Deutschland sich künftig mit einem Überwachungsradar für den irakischen Luftraum stärker ein und öffnet den Lufttransport für Truppen für die Partner. In Krisensituationen soll Berlin helfen, Soldaten schnell in Nachbarländer ausfliegen zu können. Wie wichtig das sein kann, zeigte sich Anfang Januar.
Im Norden des Landes trainieren deutsche Soldaten kurdische Kämpfer
Als Vergeltungsmaßnahme für die gezielte Tötung des iranischen Generals Qassim Soleimani durch das US-Militär hatte Iran irakische Militärstützpunkte, auf denen auch Truppen der internationalen Allianz im Kampf gegen die Terrormiliz IS stationiert sind, mit Raketen angegriffen. Diese Eskalation hatte den Kampf der internationalen Allianz gegen den IS teilweise zum Erliegen gebracht. Zunächst war völlig unklar, ob ausländische Truppen - darunter die Bundeswehr - überhaupt noch im Land erwünscht seien. Am 5. Januar forderte das irakische Parlament die Regierung auf, die Präsenz ausländischer Truppen im Irak zu beenden. Bindend war dieses Votum nicht.
Im kurdischen Norden und im Zentralirak bildet die Bundeswehr irakische Kämpfer aus. Einen Teil ihrer Leute zog die Bundeswehr aus Sicherheitsgründen vorübergehend ab. Deutschland ist bislang auf Einladung der Kurden und der irakischen Zentralregierung im Land im Einsatz. Etwa 100 Soldaten sind in der Kurdenregion mit der Ausbildung von Peschmerga-Kämpfern beauftragt, etwa 30 sind es in Bagdad und Umgebung.
Die Bundesregierung setzte sich trotz der Spannungen für die Fortsetzung des Einsatzes ein. Sie will verhindern, dass der IS das entstandene Vakuum nutzt und sich zurückkämpft. In der Kurdenregion ist die Bundeswehr willkommen. Im Zentralirak herrschte darüber Ungewissheit. Inzwischen scheint auch hierfür eine Lösung gefunden worden zu sein: Gegenüber der Nato soll der geschäftsführende irakische Premier am 12. Februar die Zustimmung für die Ausbildungsmission erteilt haben. Nun schlüpft die Bundeswehr mit ihrem Beitrag unter das Dach der Nato, die parallel ausbildet. Dies ist bemerkenswert, weil sich in Berlin die SPD lange dagegen gewehrt hatte, unter Nato-Dach im Irak tätig zu werden. Die Vorbehalte gehen noch auf das von Kanzler Gerhard Schröder formulierte Nein zum Irak-Krieg zurück. Lieber half Deutschland auf eigene Initiative. Nun zwingen die Umstände offenkundig die Sozialdemokraten zum Umdenken. Niemand will das Erreichte im Kampf gegen den IS aufs Spiel setzen. Die SPD-Verteidigungspolitikerin Siemtje Möller zeigte sich erfreut, dass Deutschland weiterhin dem Irak "auf dem Weg zu Stabilität" unterstützen könne.