Anti-Terror-Kampf der USA:Globaler Lauschangriff

Lesezeit: 2 min

Informationeller "Krieg gegen den Terrorismus": Der US-Kongress erlaubt eine gigantische Datenspionage - Amerikas Glaubwürdigkeit hilft das nicht.

Christian Wernicke, Washington

Amerika hört mit, überall auf der Welt. Und liest, was Bürger auf Erden sich per E-Mail anvertrauen. Es genügt, dass ein Telefonat oder die Notiz per Internet über einen Großcomputer in den Vereinigten Staaten ihren Weg zum Empfänger finden.

Dazu ein vager Terror-Verdacht - schon darf Washingtons Geheimdienst nachschauen, mitschneiden, archivieren. Und kein Richter, auch kein amerikanischer, soll prüfen dürfen, ob dabei alles mit rechten Dingen zugeht.

Genau so hat es am Wochenende der US-Kongress beschlossen. Das neue Gesetz, letztlich eine Ermächtigung zum globalen Lauschangriff, verwandelt Uncle Sam gleichsam zum Großen Bruder. Dank Cyberspace kann die National Security Agency (NSA), der größte Auslandsgeheimdienst der Vereinigten Staaten, fortan von Feuerland bis zum Nordkap zugreifen.

Natürlich stöbern die Agenten nicht nach Liebesgrüßen. Sie wollen, so die Ratio, ausschließlich Terroristen nachspüren, die über das World Wide Web Kontakte spinnen und den nächsten Anschlag planen. Die Regierung in Washington versichert, was immer der NSA bei ihrem informationellen "Krieg gegen den Terrorismus" als Beifang ins Netz gehe, werde vernichtet. Nur: Wie und nach welchen Regeln das geschieht, bleibt ihr Geheimnis.

Nicht nur Republikaner, auch zahlreiche Demokraten haben dem umstrittenen Gesetz nun zugestimmt. Das erstaunt. Schließlich hatte Amerikas Opposition sich im Dezember 2005 noch lauthals empört, als durchsickerte, mit welchen weitreichenden Vollmachten Präsident George W. Bush die NSA zum Abhören ausgestattet hatte. Auch Bundesgerichte, Amerikas wahre Verfassungsschützer, hegten Bedenken.

Überwachung ohne richterliche Kontrolle

Denn die Regierung hatte selbstherrlich ein Gesetz aus den siebziger Jahren umgangen, das die Aktivitäten aller Geheimdienste der Kontrolle wenigstens eines vertraulich tagenden Sondergerichts unterwarf. Jetzt jedoch haben viele Demokraten eben das gebilligt, was sie bisher attackierten: die Überwachung ohne richterliche Kontrolle.

Ihre Furcht, im nächsten Wahlkampf als Weichei in Fragen nationaler Sicherheit geschmäht zu werden, war größer als die Sorge um die Freiheit. Zumal, da es vorgeblich ja nur um die (ohnehin bescheidenen) Rechte von Ausländern ging.

Nur, das täuscht. US-Bürgerrechtler und Datenschützer deuten das neue Gesetz als Angriff auch auf die Privatsphäre von Amerikanern. Sie verweisen auf das Kleingedruckte und mahnen: Wer immer im "Land der Freien" fortan mit Übersee telefoniere, müsse mit Zuhörern rechnen.

Es ist ein schwacher Trost, dass der Kongress seine Ermächtigung auf sechs Monate befristete. Und dass etliche Abgeordnete nur Minuten nach ihrem Votum offenbar die Angst vor der eigenen Courage befiel. Die Demokraten versprechen, im Herbst werde nachgebessert. Als Makel bleibt: Wenigstens einen Sommer lang weicht Amerika seine Prinzipien von Freiheit und Recht weiter auf.

© SZ vom 6.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: