Anneli:Infamie des Verbrechens

Wie wichtig eine behutsame öffentliche Darstellung ist.

Von Heribert Prantl

Entführungen haben, so sagen es die Kriminalisten, großen Anreiz auf die unterschiedlichsten Tätertypen: vom intelligenten Kriminellen, der seine vermeintlich überlegene Organisations- und Steuerungskraft, also seine Tatherrschaft, genießt - bis hin zum eher primitiven Täter, der die Probleme, die mit der Tatausführung verbunden sind, nicht im Ansatz einzuschätzen und zu lösen vermag.

Die ersteren Täter sind die oft kriminell erfolgreichen, die letzteren meist die noch gefährlicheren. Das Mädchen Anneli ist, so scheint es nach den gesamten Tatumständen, solchen Tätern zum Opfer gefallen: Aus Entführern, aus erpresserischen Menschenräubern, sind Verdeckungsmörder geworden.

Die Entführung ist eine besonders infame Art der Erpressung, sie ist ein perfides Steigerungsdelikt; die Summen, die erpresst werden sollen, wurden und werden immer höher; auch das macht den verbrecherischen Tatanreiz aus. Ein Bankräuber muss sich mit dem zufriedengeben, was da ist; der Entführer diktiert die Höhe der Summe - und treibt so sein Spiel mit der Liebe der Eltern zum entführten Kind. Die besondere Publizität, die Entführungen haben, führen bei den Tätern zu Reiz- und Lerneffekten wie bei kaum einem anderen Delikt. Das mahnt zu zurückhaltender und behutsamer Darstellung. Die Öffentlichkeit darf nicht zum unfreiwilligen Komplizen der Täter werden.

© SZ vom 20.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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