Anbandeln:Flirt im Möbelhaus

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Heiratswillige Israelis treffen sich an ungewöhnlichen Orten.

Von Alexandra Föderl-Schmid

An manchen Tagen sitzen auffällig viele auffällig aussehende junge Menschen in den Lobbys israelischer Hotels: Männer mit weißen Hemden, schwarzen Anzügen und breitkrempigen Hüten sowie Frauen mit Perücken oder Mützen und Kleidung, die Arme und Beine bedeckt. Es ist ein organisiertes Speed-Dating für ultraorthodoxe Juden, die hoffen, bei den Treffen die Liebe fürs Leben zu finden.

Denn die Partnersuche gestaltet sich für streng religiös lebende Israelis schwierig: Mädchen und Jungen gehen in getrennte Schulen, nur wenige gehen in die Armee - welche in Israel als die größte Heiratsbörse des Landes gilt. Streng religiöse Juden wurden von Staatsgründer David Ben Gurion vom Militärdienst freigestellt, damit sie sich dem Thora-Studium widmen können. Die jungen ultraorthodoxen Juden besuchen keine Diskotheken oder andere Vergnügungsstätten, auch in den Synagogen gibt es Geschlechtertrennung. Weil ihre Handys koscher sind - mit ihnen kann man nur bestimmte Webseiten und Nummern benutzen - fallen auch Apps wie Tinder oder andere Dating-Plattformen zur Partnersuche flach.

So wenden sich viele von ihnen schon im Alter von 18 Jahren an einen Heiratsvermittler - denn mit Mitte 20 sind die meisten in dieser tief religiösen Gemeinschaft bereits verheiratet und haben Kinder. Die Heiratsvermittler gehen systematisch vor. "Bevor du jemanden triffst, weißt du alles über diese Person: Alter, Wohnort, Bildungsstand und Familie", erklärt Chaja Weisberg, die in Jerusalem als Heiratsvermittlerin arbeitet. Am wichtigsten sei die Familie: Das Umfeld wird ausgelotet, auch entfernte Verwandte werden überprüft. Ist ein Familienmitglied aus der religiösen Gemeinschaft ausgestiegen, mindere das die Heiratschancen. Außerdem muss jeder Heiratswillige Referenzen angeben: Personen, die sich für ihn aussprechen. Darunter sollte möglichst ein Rabbiner oder Lehrer sein.

Dann werden mögliche Partner zu einem Treffen eingeladen. Auch hier wird nichts dem Zufall überlassen: Weisberg bringt gerne gegensätzliche Charaktere zusammen: "Quirlige Personen brauchen einen Ruhepol." Zuerst wird der Mann gefragt, ob er zu einem Treffen bereit sei, dann die Frau. Dieses wiederum darf nur an einem Ort stattfinden, an dem auch andere Menschen sind - eine Hotellobby eignet sich da besonders gut als Treffpunkt der Partnerbörse. Denn berühren dürfen sich die jungen Menschen bis zur Hochzeit nicht. Bei Heiratswilligen, die sich die teuren Hotelbar-Drinks nicht leisten können, sind die koscheren Restaurants der Möbelkette Ikea beliebt.

Aber wer denkt, dass nach streng überwachtem Speed-Dating und erfolgreicher Verkupplung erst einmal Ruhe einkehrt, der irrt. Auf viele Frauen kommt in der Ehe eine Doppelbelastung zu: Durchschnittlich fast sieben Kinder bekommt eine ultraorthodoxe Israelin. Nur die Hälfte der Männer arbeitet, sodass Frauen neben der Kinderbetreuung auch Geld verdienen müssen. Ultraorthodoxe Juden machen zwölf Prozent der israelischen Bevölkerung aus, ihr Anteil wird sich voraussichtlich in 16 Jahren verdoppeln. Heiratsvermittler wird das freuen: Durchschnittlich 1400 Euro erhalten sie von jedem Paar nach einer Heirat.

© SZ vom 17.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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