Analyse - Folgen der Bremen-Wahl:Etappensieger auf dem Weg nach Berlin

Lesezeit: 5 min

Nach Bremen sind fünf von sieben Wahlen im Superwahljahr 2011 gelaufen. Für einige Parteien ist die Bilanz ernüchternd bis niederschmetternd, andere haben Hoffnung, wieder andere wissen gar nicht wohin vor lauter Freude. Jetzt richten sich alle Augen auf die Hauptstadt und die dortige Wahl zum Abgeordnetenhaus. Die Prognosen für die Parteien im Überblick.

Thorsten Denkler, Berlin

Gut, Bremen ist klein. Sehr klein für ein eigenständiges Bundesland. Bei knapp unter 650.000 Einwohnern inklusive Bremerhaven fällt es schwer, der Bürgerschaftswahl eine bundespolitische Bedeutung beizumessen. Doch Bremen ist eine von sieben Wegmarkierungen im Superwahljahr 2011. Das Ziel ist Berlin. Die Hauptstadt. Der Regierungssitz. Von dort aus steuert Angela Merkel das Land. Wenn es so weitergeht allerdings nicht mehr lange. Nun kommt im September die Wahl zum Abgeordnetenhaus. Dann folgt die Bundestagswahl 2013. Die Prognosen:

Anhänger der Grünen jubeln in Bremen: Wieder hat die Partei einen historischen Wahlsieg eingefahren. (Foto: REUTERS)

CDU:

Übler hätte das Wahljahr schon jetzt kaum werden können für die CDU. In Hamburg chancenlos. In Baden-Württemberg abgewählt. In Rheinland-Pfalz nur ein Achtungserfolg. In Bremen mit dem dritten Platz hinter den Grünen praktisch versenkt. Nur in Sachsen-Anhalt stellt die CDU nach fünf Landtagswahlen 2011 den Ministerpräsidenten.

Und dabei wird es wohl bleiben. In Mecklenburg-Vorpommern deutet zwar alles auf eine Neuauflage der großen Koalition hin, allerdings unter Führung des SPD-Mannes Erwin Sellering. In Berlin aber wird CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel nicht mal mehr als ernstzunehmender Herausforderer des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit von der SPD wahrgenommen. Die Rolle hat die Grüne Renate Künast übernommen. Ihre Partei liegt nach jüngsten Umfragen sogar deutlich vor den Sozialdemokraten.

Wenn Henkel viel Glück hat, bleibt seine CDU über der 20-Prozent-Marke. In der SPD hätten solche Ergebnisse längst zum sofortigen Austausch des Bundesvorsitzenden geführt. In der CDU ist das anders. Solange Angela Merkel Bundeskanzlerin ist, gilt sie als unantastbar. Die CDU war immer eine Kanzlerpartei. Erst die Abwahl macht den Weg frei für personelle Veränderungen. Was Merkel sicher nicht machen wird: Neuwahlen ausrufen. Sie ist keine Kämpferin wie Gerhard Schröder. Sie wartet lieber ab, ob sich der Wind bis zur Bundestagswahl dreht.

SPD:

In Hamburg die absolute Mehrheit. In Bremen Wahlsieger mit nur knapp unter 40 Prozent. Und: Trotz des Erfolges der Grünen noch 1,6 Prozentpunkte zugelegt. Da hat die SPD wirklich mal Grund zum Feiern. Das war in Baden-Württemberg noch anders. Da hat die SPD ihr historisch schlechtestes Ergebnis im Ländle eingefahren, landete hinter den Grünen. Doch die Genossen jubelten, als hätten sie gerade 100 Prozent geholt. Am Ende nämlich reichte es für die Abwahl von Schwarzgelb - dank der Grünen

Wahl in Bremen: Reaktionen
:Zwischen Bitterkeit und "bumperndem Herzen"

SPD und Grüne feiern ihren Sieg bei der Bremer Bürgerschaftswahl - sie regieren weiter. Die gerupfte CDU nennt das Ergebnis "schmerzhaft" - die FDP will "die Ohren nicht Hängen lassen".

in Bildern.

Gerne würden die Genossen das Wahljahr mit einem Erfolg von Klaus Wowereit in Berlin beenden. Sie bräuchten so ein Signal, um sich für die Bundestagswahl 2013 zu stabilisieren. Danach aber sieht es nicht aus. In Umfragen liegen die Grünen inzwischen hartnäckig vor der SPD. Dass die SPD in den Städten und im Norden stark ist, mag reichen, um bei der bevorstehenden Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern noch einmal zu punkten, wie Parteivize Manuela Schwesig hofft. Um bundespolitisch wieder attraktiv zu werden, braucht die SPD aber größere Erfolge.

Selbst Hannelore Kraft kann als Ministerpräsidentin in Nordrhein-Westfalen kaum als leuchtendes Beispiel dienen. Im Herzland der Sozialdemokratie hat sie die Partei 2010 so gerade eben in eine Minderheitsregierung mit den Grünen führen können. Und in Rheinland-Pfalz verlor Kurt Beck zehn Prozent. Nicht gerade Aufbruchsignale. Die Stärke der Grünen ist dabei Fluch und Segen zugleich. Einerseits müssen die Köche von der SPD die Schmach ertragen, nun grünen Kellnern hinterherzurennen. Andererseits könnte es 2013 dank der Grünen gelingen, eine linke Mehrheit ohne die Linke hinzubekommen - womöglich sogar unter einem grünen Kanzler.

FDP:

Philipp Rösler, der neue Parteichef der FDP, hatte am Rande des Rostocker Parteitages gesagt, ab sofort sei jede Niederlage der FDP auch seine Niederlage. Bei 2,7 Prozent überlegt man sich so eine Erklärung wohl noch mal. Kein Wunder, dass Rösler am Wahlabend in Bremen offenbar keine Lust verspürte, die Herabstufung der Liberalen in der Hansestadt zu einer Splittergruppe zu kommentieren.

Besser wird es in den kommenden Monaten wohl auch nicht. Umfragen für Mecklenburg-Vorpommern sehen die FDP bei niederschmetternden zwei Prozent. In Berlin wird die FDP mit nur noch drei Prozent gehandelt. Sollte es so kommen, wäre die FDP nach sieben Landtagswahlen im Jahr 2011 aus fünf Landesparlamenten geflogen. Wäre Guido Westerwelle nicht schon als Parteichef geschasst worden, spätestens im September wäre er fällig gewesen. Jetzt darf mit Rösler der Neue den Kopf dafür hinhalten.

Bremen war wohl nicht mehr zu retten. Aber für Niederlagen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin könnte die FDP nicht mehr allein Westerwelle verantwortlich machen. Für Rösler war die Sache demnach ein Fehlstart mit Ansage. Es wäre erstaunlich, wenn sich die FDP bis zur Bundestagswahl 2013 davon erholen könnte. Zumal immer noch die gleichen Personen am Werke sind. Nur eben fast alle auf anderen Posten.

Linke:

Immerhin drin. Mit 5,8 Prozent in Bremen verliert die Linke in Bremen zwar gut ein Drittel ihrer Wähler. Solange sie aber im Parlament bleibt, kann die Partei damit leben. Besser gesagt: können die Parteichefs Klaus Ernst und Gesine Lötzsch damit leben. Ein verpasster Wiedereinzug in die Bürgerschaft hätte den Druck auf beide massiv erhöht. Bremen ist das erste Westparlament, in dem die Linke vertreten ist.

Porsche-Klaus und Kommunismus-Gesine gelten jetzt schon eher als das Katastrophen-Duo an der Parteispitze. Sie dachten, weiterzumachen wie mit Lafontaine - nur ohne Lafontaine -, das würde reichen. Es reicht, wenn überhaupt, nur so gerade eben.

Wirklich gefährlich ist die Linke für ihren erklärten Hauptgegner SPD nur noch, weil sie den Sozialdemokraten wichtige Prozentpunkte im Wettbewerb mit den Grünen wegnimmt. Ansonsten haben die Sorgen, die die SPD derzeit hat, kaum noch etwas mit der Linken zu tun.

Von einer Westausdehnung der Linken kann jedenfalls keine Rede mehr sein. Eher von Westschrumpfung. Selbst in der Ost-West-Stadt Berlin droht der Absturz auf knapp über zehn Prozent und der Verlust der Regierungsbeteiligung. 2002 hatte die damalige PDS noch über 22 Prozent geholt.

Ob sich das noch mal ändert, hängt auch mit dem Verlauf der Programmdebatte ab. Wenn sich dort die Lafontainisten durchsetzen dann dürfte jedem Wähler klar werden, dass die Linke zwar gerne viele Forderungen erhebt , aber nicht daran interessiert ist, sie in Regierungsverantwortung auch umzusetzen. Als Blitzableiter haben Parteien jedoch nur immer vorübergehend Erfolg.

Grüne:

Und wieder in historischer Erfolg für die Grünen: Zweitstärkste Kraft vor der CDU in Bremen. Die Partei hat einen Lauf. In Baden-Württemberg stellt sie jetzt den Ministerpräsidenten. Ergebnisse jenseits der 20-Prozent-Marke scheinen inzwischen normal zu sein. Selbst im Osten der Republik, der für die Grünen eigentlich abgeschrieben war, feiert die Partei nun Erfolge.

In Sachsen-Ahnhalt schafft sie im März deutlich den Sprung in den Landtag. In Mecklenburg-Vorpommern lag sie bisher bei Wahlen meist unter drei Prozent. Jetzt sehen Umfragen sie bei knapp zehn Prozent. Nicht einmal mehr derjenige wird für bekloppt erklärt, wer als Nachfolger von Angela Merkel im Kanzleramt einen Grünen vorhersagt.

Sicher, die Atomkatastrophe von Japan hat den Grünen neue Wähler beschert. Und auch die Debatte um Stuttgart 21 hat einiges zur neuen Stärke beigetragen. Doch die Grünen verzeichnen seit Jahren stetige Zuwächse. Selbst aus der rot-grünen Regierungsbeteiligung im Bund kamen sie besser heraus, als sie hineingegangen waren. Und wenn rot-grün irgendwo im Land die Mehrheit verfehlte, lag das meist an einer schwachen SPD.

Den aktuellen Erfolg, so scheint es, können derzeit nur die Grünen selbst zunichte machen. Dann nämlich, wenn sie sich angesichts ihrer Siege einen Richtungsstreit liefern. Erste Anzeichen gibt es schon. Da ist die Parteilinke, die die Grünen lieber klein, aber fein sähe als groß und angepasst. Auf der anderen Seite die Realos, die die Chance nicht verpassen wollen, aus der einstigen Anti-Parteien-Partei eine grüne Volkspartei zu machen.

Die Frage ist allerdings, ob die Wähler das nicht längst entschieden haben. Spätestens in dem Fall, dass die Berliner im Herbst Renate Künast zur zweiten grünen Regierungschefin machen, können die Grünen kaum noch anders, als für die Bundestagswahl 2013 ein Politikangebot für alle Wähler zu formulieren. Dann sind sie Volkspartei, ob sie es wollen oder nicht.

© sueddeutsche.de/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: