"America's first tearless onion":Weine nicht, wenn die Schale fällt

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Eine neuartige Zwiebel reizt beim Häuten nicht mehr die Augen.

Von Kathrin Werner

Es gibt viele Gründe zu weinen in dieser gemeinen Welt. Einer fällt nun weg: Zwiebeln. "America's first tearless onion" treibe beim Schneiden nicht Tränen in die Augen, preist der Hersteller an. Also ein Test: Von außen sieht die Zwiebel normal aus; sie ist zwiebelgroß, zwiebelförmig, und unter der braungoldenen Schale scheinen ihre hellgelben Schichten hervor. Sie riecht wie Zwiebel und schmeckt wie Zwiebel, wenngleich eher süßlich und milde. Und tatsächlich: Egal wie lang man sie hackt, sie brennt nicht in den Augen. Selbst wer wagemutig ihren Saft unter die Augen reibt, wird nicht bestraft.

Die tränenfreie Zwiebel stammt von der Agrarsparte des deutschen Konzerns Bayer, bislang gibt es sie nur in den USA und lediglich in einer kleinen Auswahl an Supermärkten. Aber sie soll das Land erobern und danach auch international vermarktet werden. "Wir hoffen, die Zwiebel in den nächsten Jahren einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen zu können", sagte eine Bayer-Sprecherin. "Sunion", eine Mischung aus den englischen Wörtern für Sonne und Zwiebel, hat die Marketingabteilung sie getauft.

30 Jahre lang hat das Forscherteam des Konzerns in den USA an der Zwiebel getüftelt. Sie ist nicht genmanipuliert. Die Saat-Techniker haben sie durch traditionelle Kreuzung entwickelt, also keine zwiebelfremden Gene eingebracht. Vereinfacht gesagt bauten sie mehr als 30 Jahre lang Zwiebeln an und identifizierten immer diejenigen, die am wenigsten in den Augen brannten. Die mildesten wurden weitergekreuzt, bis der Konzern endlich zufrieden war. Auf dem Feld unterscheiden sich die Sunions nicht von anderen Zwiebeln. Aber je länger man sie lagert, desto größer wird der Unterschied. Normale Zwiebeln werden von Tag zu Tag schärfer, weil unbeständige Verbindungen in dem Gemüse für Geschmack und Tränen sorgen. Die Sunions dagegen werden milder und süßer.

Es gibt sogar in den Gentechnik-freundlichen USA bislang nur acht Pflanzen, für die man genmanipuliertes Saatgut kaufen kann. Die Zulassung ist schwierig, in den USA und erst recht in der übrigen Welt - das lohnt sich nicht für Gemüse, von dem viel weniger angebaut wird als etwa Futtermais. Zu den Kosten der neuartigen Zwiebel wollte Bayer keine Angaben machen; nach der jahrzehntelangen Arbeit sei das "schwer zu beziffern". Aber klar ist: Sie müssen sich lohnen. Forschung am Gemüse der Zukunft ist vor allem eine Spezialität von Monsanto, dem Konkurrenten aus den USA und vielleicht baldige Bayer-Tochter. Die Konzernübernahme hängt von der Genehmigung der Kartellbehörden ab. Auch Monsanto hat eine milde Zwiebel erfunden, sie verhindert allerdings nicht völlig den Tränenfluss.

Das Weinen beim Zwiebel-Schneiden ist jedenfalls ein Volksthema. Wer die Frage, warum Zwiebeln in den Augen brennen, bei Google eingibt, bekommt 4,5 Millionen Resultate. Eine Anleitung zum tränenverringernden Zwiebelhacken ist der häufigste Anlass, aus dem Menschen den Zwiebel-Branchenverband National Onion Association kontaktieren. Und in der Muppet-Show singt Hund Rowlf: "Zwiebeln haben durch mich noch nie gelitten. Warum bringen sie mich dann zum Heulen?"

© SZ vom 20.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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