Altkanzler unter Freunden:"Ihr Aufschwung, Herr Schröder?"

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Ex-Kanzler Schröder hielt eine Laudatio für das Buch eines guten Freundes - es wurde eine späte Verteidigungsrede von Rot-Grün. Ganz nebenbei profilierte sich der derzeitige Unternehmensberater als der bessere SPD-Chef.

Thorsten Denkler, Berlin

Michael Inacker ist einer, der kennt sich aus mit der Wirtschaft: Früher Frankfurter Allgemeine Zeitung, dann DaimlerChrysler und jetzt Vize-Chefredakteur der Wirtschaftswoche. Da ist er wie berufen, den einstigen Bundeskanzler Gerhard Schröder und Utz Claassen, Vorstandschef des Energiekonzerns EnBW, hart zu befragen.

Der Elder Statesman Schröder (Foto: Foto: dpa)

Der Bundeskanzler, wie Schröder sich nach dem Protokoll noch anreden lassen darf, gab sich die Ehre, die Laudatio auf das neue Buch von Claassen zu halten. Es trägt den Titel "Mut zur Wahrheit", was wohl bedeuten soll, dass der Autor den Mut zur Wahrheit hat, dieses Buch zu schreiben.

Schröders Aufgabe war es an diesem Donnerstagabend im Bücherhaus Hugendubel an der Tauentzienstraße im alten Westberlin, das Werk seines alten Freundes zu loben. Doch schnell kam er an einen Punkt, der dem Kanzler a. D. so gar nicht schmecken wollte.

Das Buch sei ein gutes, hob Schröder an und empfahl pflichtschuldig, es zu lesen und zuvor zu kaufen. Aber: Man müsse ja nicht jede These von "Mut zur Wahrheit" teilen. Vor allem nicht jene, wonach Deutschland ein "Sanierungsfall" sei - das ist ein Begriff, den Schröders Nachfolgerin im Amt geprägt hatte.

"Es ist unser Aufschwung"

Schröder sagte dann einen Satz, der dem aktuellen SPD-Parteichef Kurt Beck nur auf den ersten Blick gefallen wird: "Was Utz übersehen hat, ist, dass die Sanierung längst vor seinem Buch und der Erfinderin des Begriffs begonnen hat." Beck dagegen hatte in dieser Woche plump verkündet: "Nur, damit das mal klar ist: Der wirtschaftliche Aufschwung ist unser Aufschwung."

Moderator Inacker nahm das - ganz Journalist - zum Anlass, hart nachzufragen: "Herr Schröder, ist das Ihr Aufschwung?"

Der Kanzler lächelte, als hätte er auf diese Frage nur gewartet, ließ sich noch ein wenig tiefer in den Ledersessel sinken und antwortete dann: "Das würde ich nicht für mich reklamieren." Aber er verstehe, dass das derzeit von interessierter Seite versucht werde. "Hab' ich ja auch gelegentlich gemacht."

Süffisant legte Schröder nach: Es sei ja völlig klar, dass der Aufschwung nur dem Wirken einer neuen Regierung zu verdanken sei. "Ich gehöre nicht zu den Kritikern dieser erstaunlichen Entwicklung." Klingt irgendwie besser, als "Nur, damit das mal klar ist..."

Keine Problembär-Rhetorik

Schröder war noch nicht fertig. Er gab den Reformer: Seit seiner "Agenda 2010" stimmten die Klassifizierungen Reformstau oder Sanierungsfall nicht mehr, führte der Sozialdemokrat aus. Die Arbeitsmarktreformen begännen zu greifen. Und Schröder übernahm die Rolle des Friedenskanzlers: Man müsse jetzt gut überlegen, ob die Idee von US-Abwehrraketen in Polen und Tschechien so gut sei. Schließlich war er auch Elder Statesman: Er habe die Hoffnung, dass jetzt angesichts der strukturellen Mehrheiten im Bundestag durchregiert werde, erklärte der Mann aus Hannover.

Im Grunde gab Schröder den besseren Parteivorsitzenden. Eloquent, unterhaltsam, souverän. Keine Spur von Beckscher Problembär-Rhetorik.

Dass das mit dem Durchregieren bei ihm ja bekanntlich nicht so geklappt hat, gab Schröder unumwunden zu. Da hätten sich eben einige Parlamentarier ernster genommen als die Sache. In einem Unternehmen sei das einfach, erklärte Schröder noch: Da brauche man einen intelligenten Unternehmensführer und einen intelligenten Betriebsrat, und dann packen beide das Problem an. Mancher dachte vielleicht an die Firma VW, in der Schröder lange als Aufsichtsrat wirkte.

Für sein Scheitern fand der Altkanzler am Ende eine einfache Erklärung: "Ich hatte keinen intelligenten Betriebsrat."

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