Altersvorsorge:Nur Mini-Zinsen für Lebensversicherungen

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Das Bundesfinanzministerium will die garantierte Rendite bei neuen Verträgen auf 0,9 Prozent senken. Die Branche protestiert - sie fürchtet um die Attraktivität eines ihrer wichtigsten Produkte.

Von Anna Gentrup und Cerstin Gammelin, Berlin/München

Klassische Lebensversicherungen mit garantiertem Zins könnten vom kommenden Jahr an deutlich geringere Erträge versprechen. Das Bundesfinanzministerium plant, den höchstens erlaubten Garantiezins für neue Verträge zum Jahresbeginn 2017 unter die psychologisch bedeutsame Ein-Prozent-Grenze auf nur noch 0,9 Prozent abzusenken. Laufende Verträge sind davon nicht betroffen, ebenso wenig wie neu verkaufte Policen auf Fondsbasis. Die Garantie geben die Lebensversicherer auf den Sparanteil der Prämie, also nach Abzug von Kosten einschließlich der Provisionen. In der Regel werden zwischen 80 Prozent und 90 Prozent der Beitragszahlungen verzinst, der Rest geht für die Kosten drauf.

Mit der Entscheidung sinkt die Attraktivität der in Deutschland beliebten langfristigen Sparverträge nochmals deutlich. Gegenwärtig werben die Versicherer noch mit bis zu 1,25 Prozent Garantiezins um neue Kunden, was angesichts der anhaltenden Nullzinspolitik in Europa vergleichsweise hoch ist. Eine Sprecherin des Ministeriums bezeichnete die Absenkung am Montag als "erforderlich". Sie berücksichtige, dass die Niedrigzinsphase schon länger anhalte und spiegele "die herrschenden Marktverhältnisse" wider.

Die Versicherungsbranche protestierte umgehend. Die vorgeschlagene Absenkung sei "zu weitgehend", kritisierte ein Sprecher des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft. Im Branchendurchschnitt hätten die Versicherer bei neuen Verträgen im Jahr 2015 eine Verzinsung von mehr als zwei Prozent erzielt. Zudem sei die Umstellung zum 1. Januar 2017 zu kurzfristig, da die Unternehmen ihre Produkte neu kalkulieren müssten.

Der Protest ist allerdings auch wohlfeil. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte der Branche angeboten, künftig gar keinen höchstens erlaubten Garantiezins mehr vorzugeben, sondern ihn den Anbietern zu überlassen. Dies wäre von 2016 an aufgrund neuer europarechtlicher Regelungen möglich gewesen. Die Branche hatte jedoch darauf bestanden, den Höchstrechnungszins beizubehalten.

Dass der höchstens erlaubte Garantiezins auf weniger als ein Prozent gesenkt werden soll, bedeutet für die Lebensversicherer, dass neue Verträge für ihr wichtigstes Produkt zunehmend unattraktiv werden. Der von Schäuble festgesetzte Satz ist dabei lediglich die gesetzlich zulässige Obergrenze; die Lebensversicherer entscheiden eigenverantwortlich, was sie ihren Kunden tatsächlich zusagen.

In den Neunzigerjahren hatten die Versicherer mit regierungsamtlicher Bestätigung Zinssätze von 3,5 Prozent und 4 Prozent garantiert. Viele dieser Verträge laufen immer noch - während die Gesellschaften mehr und mehr Probleme haben, am Kapitalmarkt zu verdienen, was sie einst ihren Kunden für die Laufzeit der Verträge versprochen haben.

Das ist ein Grund für große Anbieter wie Allianz, Generali, Ergo oder Axa, sich aus den klassischen Angeboten mit Garantie zurückzuziehen und lieber Lebensversicherungsverträge auf Fondsbasis anzubieten. Dabei trägt der Kunde das Kapitalmarktrisiko, nicht der Versicherer über die Garantie.

© SZ vom 03.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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