Aktuelles Lexikon:Gutverdiener

Über soziale Science-Fiction in der Steuerdebatte.

Von Cerstin Gammelin

In Deutschland wird gerade so häufig von einer Spezies gesprochen, dass man meinen könnte, sie besiedele weite Teile des Landes. Es ist der "reiche Gutverdiener". Wann immer es um staatliches Geld geht und die Verteilung dessen, kommt der reiche Gutverdiener ins Spiel. Weil er stets derjenige sein soll, der weder entlastet noch sonst wie bedacht werden soll. Weil er ja ohnehin genug hat. Indem man die Begriffe reich und gut bezahlt kombiniert, entsteht eine Art gesellschaftliche Science-Fiction- Figur, die manchem Politiker nützlich ist, um beispielsweise zu begründen, warum Steuersenkungen für alle Bürger ungerecht seien. Man denke nur an den Millionär mit 150 000 Euro Einkommen. Diese Argumentation aber gleitet gefährlich ins Populistische, weil sie einiges vermischt. Fakt ist: Von 45 Millionen Beschäftigten zahlen gerade mal 3,5 Millionen auf die letzten Euros den Spitzensteuersatz. Diese Gutverdiener sind nicht automatisch reich; sie beziehen nur zu einem bestimmten Zeitpunkt ein höheres Gehalt als das durchschnittliche. Reichtum definiert sich über einen großen Besitz an Gütern und Vermögen. Nun mag es den Fall geben, dass Reiche auch ein hohes Gehalt beziehen - diese Spezies ist dennoch vergleichsweise so selten, dass sie nicht als Argument für allgemeine politische Entscheidungen taugt.

© SZ vom 21.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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