Aktuelles Lexikon:Graffito

Über eine Überraschungskunst, die einen ins Gefängnis bringen und berühmt machen kann.

Von Kia Vahland

Ein Graffito braucht einen besonderen Untergrund: eine Hauswand, eine U-Bahn, mindestens eine Klotür, irgendetwas, das nicht dafür gedacht war, von Unbefugten besprüht, bepinselt, angeritzt zu werden. Der Graffito wirkt erst in der Überraschung. Die kann destruktiv sein wie im Jahr 1527 in Rom, als plündernde deutsche Landsknechte Graffiti, die Mehrzahl des Graffito, in die von Raffael ausgemalten Stanzen im Vatikan stachen. Der Graffito (nach dem griechischen graphein: zeichnen, schreiben) kann ästhetischer Protest sein wie in São Paulo, wo junge Leute mit großen, illegalen Wandbildern die graue Tristesse übertünchen. Er kann seinen Schöpfer ins Gefängnis bringen wie einst Harald Naegeli, der 1979 in Zürich am Malort seine Brille vergaß, zurückkehrte und festgenommen wurde. Graffiti können einen aber auch weltberühmt machen. Dies ist der Fall bei dem britischen Streetart-Künstler mit dem Pseudonym Banksy. Seine Werke sind so begehrt und teuer, dass sie zum Leidwesen ihres Erfinders regelmäßig aus dem öffentlichen Raum gestohlen werden. Jetzt hat es das Bild einer Ratte mit Bleistift erwischt, das Banksy im Außenraum des Pariser Centre Pompidou heimlich hinterlassen hatte. Das Museum hat nun Strafanzeige gestellt - nicht gegen den Sprüher, sondern gegen den Dieb.

© SZ vom 05.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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