Aktuelles Lexikon:Flickenteppich

In Corona-Zeiten ist er wieder groß in Mode.

Von Leila Al-Serori

In den vergangenen Jahren ist der Flickenteppich etwas aus der Mode gekommen. Dabei hat der bunte, besonders strapazierfähige Teppich in manchen Regionen große Tradition, etwa im bayerischen Chiemgau oder im österreichischen Mühlviertel. Wobei man sich dort hüten sollte, Flickenteppich dazu zu sagen: Dort heißt er nämlich Fleckerlteppich - und ja nichts anderes. Gemacht wird der Teppich in beiden Fällen gleich: aus Stoffresten, den sogenannten Flicken (oder eben Fleckerln), die zusammengewoben und auf gleiche Länge gebracht werden.

Im übertragenen Sinne bezeichnet der Flickenteppich jegliche Art von Fragmentierung oder Zersplitterung. Seine politische Prägung erhielt der Begriff in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als das von Preußen dominierte Bismarck-Reich die föderale Struktur Deutschlands als "buntscheckig" abtat - oder eben als "Flickenteppich", also als abschreckendes Gegenstück zur zentralistischen Einheit. Bis heute muss der Teppich als Schmähbegriff für den Föderalismus herhalten. Wenn also die deutsche Corona-Politik derzeit damit illustriert wird, ist kein Revival des Flickenteppichs im Wohnzimmer gemeint, vielmehr die Unübersichtlichkeit der Corona-Regeln, die je nach Bundesland - und auch innerhalb der Bundesländer - verschieden sind.

© SZ vom 07.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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