Afghanistan:Zu früher Abschied

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Könnten länger als geplant in Afghanistan bleiben: Soldaten der Nato-Mission "Resolute Support", die die afghanische Armee unterstützen. (Foto: Vano Shlamov/AFP)

Die Nato erwägt, länger in Afghanistan zu bleiben - die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ist dafür. Doch letztlich hängt alles von der Abzugs-Bereitschaft der USA ab.

Von Christoph Hickmann und Alexander Mühlauer, Brüssel/Berlin

Die Überlegungen, den internationalen Militäreinsatz in Afghanistan zu verlängern, werden immer konkreter. Das wurde bei einem Treffen der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel deutlich. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) kündigte dort an, sie wolle bei ihren Ministerkollegen dafür werben, "den Rückzug aus Afghanistan nicht nach einem starren Kalender" vorzunehmen. Vielmehr solle man "Schritt für Schritt" vorgehen. Die zeitweilige Eroberung der Stadt Kundus durch die Taliban habe gezeigt, dass der gemeinsame Weg mit den Afghanen zur Stabilisierung ihres Landes noch nicht zu Ende gegangen sei, "sondern dass wir ihn noch länger gehen müssen", sagte von der Leyen.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte, das Verteidigungsbündnis werde die Lage in Afghanistan ebenso wie die Notwendigkeit der Militärpräsenz dort überprüfen. Außerdem werde man sich die Fähigkeiten der afghanischen Sicherheitskräfte ansehen. "Wir haben noch nicht abschließend darüber entschieden, wie lange der Einsatz noch dauern wird, wie viele Soldaten dort bleiben sollen und wo sie stationiert sein werden", sagte Stoltenberg. Die Nato werde die Afghanen auf jeden Fall weiter unterstützen. Offen ist nur noch, wie. Zwei Wege werden derzeit diskutiert: Entweder das Bündnis verlängert den bisherigen Einsatz zur Ausbildung und Beratung der Sicherheitskräfte oder es startet eine neue, zivil geführte Aktion mit militärischen Elementen. Eines werde die Allianz aber unbedingt fortführen, versprach Stoltenberg: Die afghanischen Sicherheitskräfte würden weiter finanziell unterstützt.

Entscheidend sind die USA. Bislang planen sie, das Land bis Ende 2016 zu verlassen

Zum Jahreswechsel war die internationale Isaf-Mission ausgelaufen und damit letztlich der Kampfeinsatz des von der Nato geführten Bündnisses. Seither läuft die Folgemission Resolute Support, deren Schwerpunkt auf der Beratung der Afghanen liegt. Ursprünglich sollte sie nur bis Ende 2016 dauern, also insgesamt zwei Jahre, doch im Bündnis gibt es bereits seit einiger Zeit Überlegungen, den Einsatz in Afghanistan zu verlängern. Neu angefacht wurde die Debatte durch den Einfall der Taliban in Kundus, der eklatante Schwächen der afghanischen Sicherheitskräfte offenbarte, was beispielsweise ihre Organisation, aber auch die Aufklärung angeht.

Allerdings kommt es hier auf die Amerikaner an. Bleiben sie bei ihrem Vorhaben, das Land bis Ende 2016 zu verlassen, müssten auch die Verbündeten abziehen, da sie auf die militärischen Fähigkeiten der Vereinigten Staaten angewiesen sind. Das Ministertreffen in Brüssel diente daher auch dem Zweck, mit den Amerikanern eine gemeinsame Linie des Bündnisses zu finden. "Ich habe alle Nato-Partner gebeten, flexibel zu bleiben und Änderungen am bisherigen Abzugsplan in Betracht zu ziehen", erklärte US-Verteidigungsminister Ashton Carter, ohne Details zu nennen. Etliche Verbündete hätten sich dazu nun bereit erklärt.

© SZ vom 09.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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