Afghanistan und Koranverbrennung:Schreie und ein Toter

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Bei Protesten gegen die angekündigte Koranverbrennung in den USA ist vor einer Bundeswehr-Basis angeblich ein Mensch erschossen worden. Unterdessen hat US-Pastor Jones die Provokation erneut abgesagt - bis auf Weiteres.

In Florida will ein entrückter Pastor Koranbücher verbrennen - und in Nordafghanistan hat es die Bundeswehr deshalb mit schweren Tumulten zu tun. Bei Protesten gegen die Ankündigung der Koranverbrennung riefen vor dem Bundeswehr-Feldlager in Feisabad Demonstranten "Tod für Amerika" und warfen Steine - nach Regierungsangaben wurde sogar ein Protestierender erschossen.

Aufgebrachte Muslime protestieren in Afghanistan gegen den Plan des US-Pastors Terry Jones, einen Koran zu verbrennen. Bei Unruhen vor einem Bundeswehrstützpunkt ist angeblich ein Mensch getötet worden. (Foto: AP)

Der Sprecher der Regierung der Provinz Badachschan, Mohammad Amin Sohail, sagte, afghanische Polizisten hätten das Feuer eröffnet, nachdem ein Mob Steine auf das Camp geworfen habe. Ein Demonstrant sei getötet worden. Fünf weitere seien verwundet worden. Auch fünf Polizisten seien verletzt worden.

Weder die Bundeswehr noch Provinz-Polizeichef Agha Nur Kentus bestätigten, dass es ein Todesopfer gegeben habe.

Nach Angaben des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr in Geltow bei Potsdam wurden bei den Protesten vor dem Feldlager acht Demonstranten und zwei afghanische Polizisten verletzt. Bundeswehrsoldaten seien nicht beteiligt gewesen, sagt ein Sprecher.

Die Zahl der Demonstranten beziffert der Sprecher auf 400 bis 600. Regierungssprecher Sohail sprach dagegen von höheren Teilnehmerzahlen. Er sagte, nach Gebeten zum Ende des Fastenmonats Ramadan seien zunächst einige hundert Demonstranten von der Moschee aus durch die Provinzhauptstadt marschiert. Die Menge sei dann auf 5000 bis 10.000 Menschen angeschwollen, die zum Feldlager gezogen seien.

Auch der Demonstrant Maulawi Mohammad Ismail sprach von mehreren tausend Teilnehmern. Er sagt, der Protest sei friedlich verlaufen, bis Jugendliche damit begonnen hätten, Steine zu werfen. Demonstranten hätten "Tod für Amerika", "Tod für die Feinde des Islam" und "Der Heilige Koran ist unser Gesetz" skandiert.

Der äußere Sicherungsring um Bundeswehr-Camps in Afghanistan wird immer von afghanischen Sicherheitskräften bemannt. Damit soll vermieden werden, dass in Fällen wie diesem deutsche Soldaten gezwungen sind, auf afghanische Zivilisten zu schießen. Polizeichef Kentus sagte, die Demonstration sei aufgelöst worden. Die Lage sei unter Kontrolle.

Außer in Afghanistan kam es auch in Pakistan zu Demonstrationen. In London versammelten sich Tausende Muslime in einer der größten Moscheen Westeuropas. "Religiöser Extremismus - sei er christlich, muslimisch-extremistisch oder irgendwie andersgeartet, ist niemals der wahre Spiegel einer Religion", sagte das Oberhaupt der muslimischen Ahmadiyya-Minderheit, Hadhrat Mirza Masroor Ahmad, in der Baitul-Futuh-Moschee.

Koran-Verbrennung erneut abgesagt

Unterdessen hat US-Pastor Terry Jones von seinem Plan, am 11. September einen Koran zu verbrennen, erneut Abstand genommen. "Im Augenblick planen wir, es nicht zu tun", sagte Jones von der Christengruppe Dove World Outreach Center dem Sender ABC. Erst eine Absage, dann die Absage der Absage, nun wieder eine Absage - die allerdings wieder abgesagt werden könnte.

Das hängt offenbar davon ab, ob Jones am Samstag in New York mit einem Imam der muslimischen Gruppen zusammentrifft, die den Bau eines Islamzentrums nahe dem zerstörten World Trade Center planen. Das habe man ihm zugesagt, so Jones.

Bereits am Donnerstag hatte der Pastor erklärt, auf die Verbrennung zu verzichten, nachdem ihm eigenen Angaben zufolge versichert worden sei, das umstrittene Zentrum mit Moschee werde nicht mehr so nahe am Ground Zero gebaut. Er hatte zuvor mit einem lokalen Imam gesprochen. "Wir fühlten, dass das ein Zeichen ist, das Gott von uns wollte. Das amerikanische Volk will keine Moschee dort, und natürlich wollen die Muslime nicht, dass wir den Koran verbrennen", sagte der Pastor. Die Muslime in New York allerdings hatten sich überrascht gezeigt - und erklärt, man werde keinen Tauschhandel treiben.

Daraufhin erklärte Jones erneut, dann doch den Koran zu verbrennen. Und schon wenige Stunden später kam es wieder zur Kehrtwende.

Tagelang hat Jones die Warnungen der US-Regierung und der Nato vor den wütenden Protesten ignoriert, die seine Aktion in muslimischen Ländern hervorrufen könnte. Selbst US-Präsident Barack Obama und Verteidigungsminister Robert Gates hatten versucht, ihn von seinem Vorhaben abzubringen.

Pastor Tery Jones sieht sich mit seiner Standhaftigkeit in der Tradition biblischer Propheten. Den 58-Jährigen treibt nach eigenen Angaben die Furcht vor einer Abkehr der USA vom wahren christlichen Glauben. Insbesondere den Islam sieht Jones als dämonische Kraft, die es auf die Schwächung seines Landes abgesehen habe. Seine Botschaft: Der Islam selbst - und nicht nur dessen verzerrte Auslegung durch Radikale - führe zu Gewalt und erfordere deshalb Gegenwehr. "Wenn Ihr uns angreift, greifen wir Euch an", sagt Jones den Muslimen.

Wenig deutete auf Jones' bisherigem Lebensweg darauf hin, dass er einmal im Zentrum einer internationalen Kontroverse stehen könnte. Er arbeitete laut US-Medien früher als Hotelmanager. In den vergangenen 30 Jahren reiste er immer wieder als Missionar nach Europa.

Seit 1996 leitet er die kleine Gemeinde Dove World Outreach Center in Gainesville in Florida. Auf dem 20-Hektar-Anwesen der Kirche ist er oft mit einer Pistole am Gürtel zu sehen, wie Lokalmedien berichten.

Mit ein paar Dutzend Anhängern ist Jones' Gemeinde klein - zu klein für die Ambitionen des Pastors. Er sieht es als sein Ziel, die Gemeinde von einer "örtlichen Kirche zu einer Kirche mit weltweiter Vision" zu machen, wie er es auf seiner Internetseite formuliert. In Köln etwa gründete Jones die freikirchliche Christliche Gemeinschaft, die aber vor Jahren schon mit ihm brach.

Deren Sprecher Stephan Baar berichtet von finanziellen Unregelmäßigkeiten, für die Jones später eine "Wiedergutmachung" gezahlt habe.

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