Afghanistan:Protestmarsch in Kabul

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Verzweifelter Protest: Angehörige der Hazara demonstrieren in Kabul. (Foto: Jawad Jalali/dpa)

Tausende Menschen demonstrieren gegen IS und Taliban. Sie sind entsetzt über Morde, die Extremisten begangen haben. Sie fordern von der Regierung mehr Schutz - aber auch ihren Rücktritt.

In einer der größten Demonstrationen in Afghanistan seit 2001 haben am Mittwoch Tausende Menschen gegen die Taliban und die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) demonstriert. Sie trugen die Särge von sieben Zivilisten durch die Straßen der Hauptstadt Kabul, die Extremisten vergangene Woche in der Provinz Sabul geköpft hatten. Auch zwei Frauen und ein kleines Mädchen waren dabei getötet worden. Es ist noch ungeklärt, ob Mitglieder der Taliban oder des IS die Tat begangen haben. Sabul ist weitgehend unter der Kontrolle radikal-islamischer Gruppen.

"Dies ist ein Protest für Gerechtigkeit für die Opfer, die so gnadenlos ermordet wurden", sagte der Demonstrant Mohammed Hadi der Nachrichtenagentur AFP. "Wir fordern Gerechtigkeit für die Menschen, die jeden Tag von Terroristen brutal ermordet werden." Unter den Demonstranten in Kabul waren auch viele Frauen, was in dem muslimisch-konservativen Land unüblich ist.

Bei ihrem Protest zeigten die Demonstranten Bilder der Opfer. Sie skandierten Sprechchöre gegen die Taliban und den IS. Mit den Särgen marschierten die Demonstranten mehr als zehn Kilometer weit in Richtung Präsidentenpalast. Sie warfen der Regierung vor, die Augen vor Verbrechen der Taliban zu verschließen. Demonstranten kletterten auf die Mauern des Präsidentenpalastes und warfen Steine. Als einige ein Gebäude nahe des Präsidentenpalastes zu stürmen versuchten, gaben Polizisten Warnschüsse ab.

Die Opfer gehören zu einer seit Jahrzehnten verfolgten Minderheit

Die Demonstranten verlangten auch, dass Präsident Ashraf Ghani und Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah abdanken sollten. Sie seien nicht in der Lage, die Menschen zu beschützen. Die Umstände der Morde sind noch unklar.

Die sieben Leichen waren am Samstag entdeckt worden. Die Opfer sollen über Monate von bewaffneten Männern als Geiseln gehalten worden sein. In Sabul waren Kämpfe zuletzt zwischen rivalisierenden Gruppen der radikalislamischen Taliban eskaliert. Obwohl noch unklar ist, wer die Morde begangen hat, wurden bereits Ableger der Taliban und der Dschihadistenmiliz IS verantwortlich gemacht.

Die Opfer gehören zu der drei Millionen Menschen zählenden Minderheit der Hasara, die in Afghanistan seit Jahrzehnten verfolgt wird. In den späten Neunzigerjahren wurden Tausende Hasara von den überwiegend paschtunischen sunnitischen Taliban ermordet. Der UN-Gesandte für Afghanistan, Nicholas Haysom, erklärte, die Enthauptungen könnten als Kriegsverbrechen eingestuft werden.

© SZ vom 12.11.2015 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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