Afghanistan:Gefährlicher Sog in den Süden

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Deutschland will Afghanistan stabilisieren und muss deshalb für einen erweiterten Einsatz offen sein.

Peter Münch

Afghanistan ist ein geteiltes, ein zerrissenes Land. Am Hindukusch hat die Historie über die Jahrhunderte einen Flickenteppich ausgelegt, der Konflikte fast unausweichlich macht.

Isaf-Soldat in Afghanistan: Der ruf nach einem Einsatz im Süden des Landes wird immer lauter. (Foto: Foto: AP)

Doch als die Weltgemeinschaft - und Deutschland vorneweg - Ende 2001 die Patenschaft für den kriegszerstörten Staat übernahm, da gab es ein klares, hoffnungsvolles Ziel: Afghanistan zu befrieden, neu aufzubauen und zu demokratisieren - kurz: das geteilte Afghanistan zu einen.

Hinter diesem Ziel jedoch steckte von Beginn an eine paradoxe Strategie, die die Zerrissenheit des Landes nicht auflöste, sondern widerspiegelte: Die von der Nato geführte Isaf-Friedenstruppe beschränkte sich zunächst auf die ruhigen Landesteile, in denen das Militär als Aufbauhelfer camouflierte und sich wohlfühlte. Im unruhigen Süden und Osten des Landes dagegen führten Amerikaner und Briten auf eigene Rechnung ihren Anti-Terror-Krieg fort.

Kein Tag ohne Gefechte - im Süden des Landes

Afghanistan also blieb geteilt, und als sich das in diesem Jahr ändern sollte und die Nato ihre Isaf-Präsenz endlich auf das gesamte Land ausdehnte, da haben die Deutschen blitzschnell einen Vorstoß gemacht, der in Wirklichkeit als geordneter Rückzug aus der Gefahrenzone geplant war: Sie sicherten sich das Isaf-Kommando über den relativ ruhigen Norden des Landes; in den Süden und damit in den Kampf zogen Briten, Kanadier, Niederländer, Rumänen und Australier.

Die Bundeswehr, das kann man sagen, hat es gut getroffen, relativ gut. Zwar ist auch in ihrem Verantwortungsbereich die Gefahr nicht eben gering, doch ist dies kein Vergleich zur Lage im Süden, die wieder zum offenen Krieg eskaliert ist. Kein Tag ohne Gefechte, keine Woche ohne Verluste auch in den Reihen der Isaf. Es ist also kein Wunder, dass es unter den Nato-Partnern manchen gibt, der die deutsche Rolle mit wachsendem Argwohn betrachtet.

Folglich war es nur eine Frage der Zeit, bis - wie nun geschehen - zunächst aus der Anonymität heraus der Ruf nach einem Einsatz der Deutschen auch im afghanischen Süden kommen musste. Und ebenso erwartbar war der Berliner Abwehrreflex, zumal die Diskussion zu einer heiklen Zeit aufkommt, kurz vor der anstehenden Verlängerung des Bundeswehr-Mandats.

Verschlungener Pfad in den Süden

So einfach jedoch wird es sich die Bundesregierung nicht machen können - auch wenn die deutschen Sicherheitsinteressen verständlich sind. Der Stabilisierung Afghanistans haben sich die Nato-Partner gemeinsam verpflichtet, und nur der alte deutsche "Ohne Michel" könnte sich noch darauf berufen, dass die gefährlichen Aufgaben selbstverständlich von den anderen übernommen werden müssen.

Überdies ist ein verschlungener Pfad in den Süden schon heute vorgezeichnet. Das Bundeswehr-Mandat erlaubt bereits "zeitlich und im Umfang begrenzte Unterstützungsmaßnahmen" in anderen Landesteilen, wenn diese "zur Erfüllung des Isaf-Gesamtauftrages unabweisbar sind". Der Krieg im Süden ist eine ziemlich unabweisbare Tatsache.

© SZ vom 29.8.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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