AfD-Wähler:Ihr habt es so gewollt

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Von Annette Ramelsberger

Die Beschwichtigungsexperten haben es immer wieder gesagt: Die Wähler sind nicht schuld. Sie sind auf keinen Fall zu kritisieren dafür, dass die rechtspopulistische AfD in den Bundestag eingezogen ist. Dafür, dass jetzt auch Verfassungsfeinde im Parlament sitzen. Man rügt den Wähler nicht. Wenn, dann rügt man die bösen Verführer oder die bösen Medien, die darüber berichten. Aber doch nicht die Männer und Frauen im Land, die - so die verbreitete Interpretation - nur ihrem Unmut Luft machen wollten. Die es doch gar nicht so gemeint haben. Es nicht so gemeint haben können. Politiker aller Parteien tätscheln da den Wählern den Kopf, als wären sie unmündige Kinder. Als wenn diese erwachsenen, geschäftsfähigen, wahlberechtigten Bürger etwas getan hätten, das man nicht ernst nehmen müsste. Ihre Wahlentscheidung wird weich gespült zum unbedachten Protest, zur spontanen Provokation. Ihr meint es doch gar nicht so.

Sie meinen es aber so. Es sind nicht nur junge, wilde Erstwähler, die da über die demokratischen Stränge geschlagen haben. Die AfD hat die meiste Zustimmung in der Generation der 35- bis 44-Jährigen. Und es sind auch nicht nur die Armen und Abgehängten. Die AfD hat gerade aus den Reihen von Besserverdienenden und Bessergebildeten Stimmen erhalten. Diese Wähler wussten genau, was sie mit der AfD bekommen würden. Selten wurde über eine Partei so ausführlich berichtet. Dass Björn Höcke das Holocaust-Denkmal ein "Denkmal der Schande" nannte, dass Alexander Gauland wieder stolz auf die Leistungen deutscher Weltkriegssoldaten sein will und dass er die in Hamburg geborene und seit 50 Jahren hier lebende Integrationsministerin Aydan Özoğuz in Anatolien "entsorgen" will. Das konnte man nicht überhören.

Die Wähler wussten also ganz genau, was sie da wählen. Aber, man muss diesen Schluss ziehen, es war ihnen egal. Im Gegenteil, ein Teil von ihnen wollte genau das haben: Grenzen zu, Mauern hoch, Deutschland den Deutschen. Aber auch die anderen nahmen die Nebenwirkungen der AfD billigend in Kauf: Sie wollten lustvoll bestrafen und ihre Wut ausleben. Dafür haben sie sogar darüber hinweggesehen, dass die AfD die EU und den Euro abschaffen will und keinen Plan für die Rente hat. Alles nicht wichtig vor lauter Wut.

Das alles nur mit Beschwichtigung zu beantworten, ist nichts anderes als weiße Salbe. Auf die Spitze hat es der frühere sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf getrieben. Gerade hatte die AfD bei der Bundestagswahl in Sachsen sogar die CDU überholt, da erklärte er, die Sachsen seien immun gegen Rechtsextremismus. Das ist Realitätsverweigerung, unglaublicher Paternalismus. Ressentiments gehen nicht dadurch weg, dass man sie nicht sehen will. Und der Wähler wird nicht klüger, indem man ihm einredet, er sei nur verführt. Der mündige Bürger hat ein Recht, auch als mündiger Wähler ernst genommen zu werden.

© SZ vom 27.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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