Äthiopien:Regierungschef Meles Zenawi ist tot

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Äthiopiens starker Mann ist gestorben: Zwei Monate lang wurde Meles Zenawi nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen, nun bestätigte sein Sprecher den Tod des Ministerpräsidenten. Über den Gesundheitszustand des ehemaligen Rebellenführers, der es zum langjährigen Regierungschef brachte, gab es bis zuletzt Spekulationen.

Der äthiopische Ministerpräsident Meles Zenawi ist tot. Der 57-Jährige sei in der Nacht zum Dienstag kurz vor Mitternacht in einem Krankenhaus im Ausland verstorben, erklärte ein Regierungssprecher am Dienstag in der Hauptstadt Addis Abeba, ohne weitere Details zu nennen. Meles war seit zwei Monaten nicht mehr öffentlich gesehen worden und fehlte bei Gipfeltreffen und Parlamentsabstimmungen.

Der verstorbene äthiopische Ministerpräsident Meles Zenawi im Jahr 2010. (Foto: AFP)

Diplomaten hatten im Juli erklärt, Meles ringe in einer Brüsseler Klinik mit dem Tod. Die äthiopische Regierung dementierte dies damals und erklärte, der Ministerpräsident sei bei guter Gesundheit. Der frühere Rebellenkämpfer Meles bestimmte die Geschicke der Regionalmacht Äthiopien seit mehr als zwei Jahrzehnten.

Das Schicksal des äthiopischen Regierungschefs war in den vergangenen Monaten von einer Aura des Schweigens umgeben. Die Regierung in Addis Abeba teilte nicht mit, woran er erkrankt war. "Er hatte sich gut erholt, aber plötzlich ist etwas geschehen und er musste in die Intensivstation eingeliefert werden", sagte Regierungssprecher Bereket Simon. "Sie konnten sein Leben nicht retten". Die genauen Umstände seines Todes nicht bislang nicht bekannt. Die Nachrichtenagentur dpa meldete, der 57-Jährige sei überraschend einem Krebsleiden erlegen, die britische BBC zitierte den Regierungssprecher, der eine Infektion als Todesursache genannt haben soll.

Entsprechend der äthiopischen Verfassung gehen die Amtsgeschäfte des verstorbenen Ministerpräsidenten an seinen Stellvertreter Hailemariam Desalegn über. Allerdings legt der Artikel 75 der Verfassung dafür keine Fristen fest. Seitdem Meles vor zwei Monaten aus der Öffentlichkeit verschwand, herrschte bei Diplomaten und Journalisten in Addis Abeba der Eindruck vor, dass die Regierungsgeschäfte zum Erliegen gekommen waren.

Regierungschef mit vielen Gesichtern

Der frühere Rebellenkämpfer Meles regierte Äthiopien seit mehr als zwei Jahrzehnten. Er galt als Regierungschef mit vielen Facetten. Lange stand er den USA als verlässlicher Partner im Kampf gegen den islamistischen Terror bei.

Das christlich-orthodox geprägte Land am Horn von Afrika wurde unter seiner Führung zu einer Insel der Stabilität in der Region, was wiederum Investoren anlockte und einen Bauboom ermöglichte. Aber Zenawi war gleichzeitig ein höchst umstrittener Regierungschef, dem viele vorwarfen, an der Macht zu kleben und jegliche Opposition zu unterdrücken.

1955 als Legesse Zenawi in der Provinz Tigray im Norden Äthiopiens geboren, nahm er später den Namen Meles an - zu Ehren eines während des Widerstandskampfes getöteten Mitkämpfers. Er studierte in Addis Abeba und an internationalen Universitäten in Großbritannien und den Niederlanden. Bereits während seiner Universitätsjahre wurde Zenawi politisch aktiv.

Nach dem Sturz von Kaiser Haile Selassie und der Errichtung der kommunistischen Diktatur von Mengistu Haile Mariam - die als "roter Terror" in die Geschichte des Landes einging - schloss sich Zenawi der neu gegründeten Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) an. Mit Hilfe der Eritreischen Volksbefreiungsfront (EPLF) des damals zu Äthiopien gehörenden Eritrea gelang der Oppositionsbewegung 1991 der Sturz des seit 14 Jahren wütenden Mengistu-Regimes.

Bei den Wahlen 1995 wurde Zenawi zum Regierungschef gewählt - ein Amt, das er 17 Jahre lang innehaben sollte. Die Wahlergebnisse waren dabei häufig umstritten, im Jahr 2005 kam es zu blutigen Tumulten mit mehr als 200 Toten und zahlreichen Festnahmen Oppositioneller. Von 1998 bis 2000 zog das Land unter Zenawis Führung in einen Grenzkrieg gegen das mittlerweile abgespaltene Eritrea, bei dem fast 100.000 Menschen ums Leben kamen.

Hungerkatastrophen und Wirtschaftsaufschwung

Internationale Organisationen haben Äthiopien immer wieder wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen angeprangert. Erst kürzlich waren der prominente Journalist Eskinder Nega und zahlreiche Oppositionspolitiker zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden, weil sie die umstrittenen nationalen Vorschriften zur Terrorismus-Bekämpfung verletzt haben sollen. Viele Oppositionelle sind ins Exil gegangen.

Doch Äthiopien, das seit Jahrzehnten immer wieder von Dürren und Hungerkatastrophen heimgesucht wird, hat unter Zenawi auch einen nie dagewesenen Aufschwung erlebt. Straßenbau-, Bildungs- und Gesundheitsprojekte wurden zielstrebig vorangetrieben, zeitweise war das Wirtschaftswachstum des Landes das höchste aller nicht ölexportierenden Staaten in Subsahara-Afrika. Gleichzeitig belegt Äthiopien auf dem Entwicklungsindex weiterhin einen der untersten Plätze. Zenawi hatte zuletzt angekündigt, 2015 nicht erneut für das Amt des Premierministers kandidieren zu wollen.

© Süddeutsche.de/dpa/Reuters/AFP/dgr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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