Ägyptens Staatschef Mubarak:Allgegenwärtig und scheinbar allmächtig

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Die Opposition empfindet die Wahl als Farce, weil die staatlichen Medien Hosni Mubarak preisen.

Tomas Avenarius

Die Bedeutung der Wahl in Ägypten liegt nicht darin, dass Hosni Mubarak abgewählt werden könnte. Die Bedeutung liegt darin, dass viele Ägypter seine ein Vierteljahrhundert währende Herrschaft jetzt in Frage stellen. Die Analyse der Menschen- und Bürgerrechtsorganisation "Human Rights Watch" trifft den Kern der ägyptischen Präsidentschaftswahl.

Die Porträts des allgegenwärtigen "Ersten Mannes" in den Amtsstuben, Hotelfoyers und Teehäusern werden nach der Wahl vom Mittwoch mit Sicherheit nicht ausgetauscht werden müssen, denn der alte Staatschef Ägyptens wird der neue sein.

Aber auch wenn der Sieger der ersten pluralistischen Präsidentschaftswahl in dem Land wieder Mubarak heißen wird: Der von ihm - wider Willen - eingeleitete Reformprozess könnte Folgen haben. Denn zum ersten Mal haben die 32 Millionen Wähler die Möglichkeit, zwischen mehreren Kandidaten zu entscheiden.

Sie machen zum ersten Mal die Erfahrung, dass ein Staatschef nicht unbedingt regieren muss, bis er auf dem Totenbett liegt. Bei kommenden Wahlen könnte es dann enger werden für das autoritäre Regime, in dem Mubarak Platzhalter ist für die Interessen des Militärs, der Geheimdienste und einer sehr kleinen und sehr privilegierten Klasse. Was im chronisch lahmenden Prozess der Demokratisierung in Nahost ein kleiner Schritt nach vorne sein könnte.

Gegen neun Kandidaten tritt der seit 24 Jahren regierende und mittlerweile 77 Jahre alte Luftwaffen-Offizier und Kriegsheld Mubarak an. Keiner seiner Gegner hat eine Chance.

Nicht nur, weil von den anderen Bewerbern nur zwei ernst zu nehmende Politiker sind: der Alt-Liberale Numan Gumaa von der Traditionspartei Wafd und der Jung-Liberale Aiman Nur, Chef der erst vor acht Monaten gegründeten Ghad-Partei.

Die anderen sieben sind viel zu unbekannt, um Chancen zu haben; sie haben keine wirkungsvollen Parteiapparate hinter sich, ein Kandidat wurde sogar noch im allerletzten Moment disqualifiziert.

Wichtige Oppositionsparteien wie Tagamma oder die Nasseristen haben die Wahl zudem boykottiert. Auch das außerparlamentarische Bündnis "Kifaya" ("Genug") hat sich der von vielen Oppositionellen als "Farce" bezeichneten Abstimmung verweigert.

Die Allmacht des Staates zeigt sich schon an den Wahlplakaten. Staatschef Mubarak ist in Kairo einfach überall präsent. An manchen Plätzen hängen bis zu 20 verschiedene Wahlplakate des Amtsinhabers.

Die Bilder zeigten ihn faltenfrei und oft um gut 30 Jahre jünger, als er in Wirklichkeit ist. Die wichtigsten Gegenkandidaten Nur und Gomaa sind zwar im Stadtzentrum zu sehen. In den Randbezirken findet man ihre Plakate dagegen seltener, und in der Provinz muss man ihre Werbung fast schon so suchen wie die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen.

Auch die Medien haben es mit der Fairness während des Wahlkampfes nicht so genau gehalten. Kam die Opposition im Fernsehen noch einigermaßen gut weg, so zeigten die Zeitungen wenig Interesse.

Die unabhängige Tageszeitung al Masri al-Jum fand mittels Nachzählens heraus, dass in den drei staatlich gelenkten Blättern während eines bestimmten Zeitraums mit insgesamt 26.000 Wörtern über Amtsinhaber Mubarak berichtet worden war, allerdings nur mit 6000 über seine neun Gegenkandidaten.

Druck aus den USA

Der führende Oppositionskandidat Aiman Nur zog zum Wahlkampfende den Schluss: "Nach außen hin sah es aus wie ein halbwegs fairer Wahlkampf. Aber es war schlicht undemokratisch."

Nur sagte der Süddeutschen Zeitung: "Weniger als drei Wochen Wahlkampf in einem Land von der Größe Ägyptens - da haben die Gegenkandidaten keine Chance. Aber allein, dass wir am Wahlkampf teil genommen haben und in 19 Tagen immerhin 25 Wahlveranstaltungen quer durch das ganze Land abgehalten haben, zeigt dem Volk, dass es Alternativen zu Mubarak gibt."

Dass der Präsident im Februar den Weg überhaupt frei gemacht hat für eine Mehr-Kandidaten-Wahl, war die Folge von Demonstrationen einer außerparlamentarischen Oppositionsgruppe. Das parteiübergreifende Bündnis "Kifaya" hatte in den Großstädten diejenigen auf die Straße gebracht, die nach 24 Jahren und vier Amtszeiten genug haben von Mubaraks Regime.

Genug von dem seit 24 Jahren geltenden Ausnahmezustand, von der Korruption, von der alles erdrückenden Bürokratie, von der 20-prozentigen Arbeitslosigkeit, von der alles lähmenden Allgegenwart der Geheimdienste, der Willkür der Polizei und der Bildungsmisere.

Und als wäre der Druck von der Straße noch nicht genug gewesen, gab es auch noch Warnungen aus Washington, das Ägypten jährlich 40 Milliarden Dollar Finanzhilfe zahlt, die für die Regierung in Kairo überlebenswichtig ist.

Die USA halten das bevölkerungsreichste arabische Land für entscheidend im Prozess der begrenzten Demokratisierung des Nahen Ostens. Präsident George W. Bush forderte daher von Mubarak "die Führerschaft Ägyptens auf dem Weg zur Demokratie". Derart unter Druck geraten, beschloss Mubarak eine Verfassungsreform.

Der Präsident sollte nicht mehr wie bisher vom Parlament gekürt werden, das von der Mubarak-Partei NDP beherrscht wird, und dann vom Volk per Referendum bestätigt werden. Stattdessen sollten mehrere Bewerber antreten.

Mubaraks Verfassungsreform ist allerdings in der typischen Manier eines autoritären Herrschers ausgefallen. Die Bedingungen für eine Kandidatur sind so beschaffen, dass unabhängige Bewerber keine Chancen haben. Zudem bestand Mubarak darauf, dass "religiöse Parteien" weiter nicht antreten dürfen.

Das schließt die Islamisten der "Muslimbruderschaft" weiter vom offiziellen politischen Prozess aus. Die Organisation hat beträchtlichen Rückhalt in einer Gesellschaft, für die islamische Werte immer wichtiger werden. Sie könnte bei freien Wahlen gut zwanzig Prozent der Stimmen bekommen.

Im November soll dann die Parlamentswahl folgen. Hier wird sich zeigen, ob sich die Mühe im Präsidentschaftswahlkampf zumindest für die Ghad-Partei und die Wafd bezahlt machen wird. Bei dieser Wahl werden auch die islamistischen Muslimbrüder dabei sein. Mit offiziell unabhängigen Kandidaten sitzen sie schon seit langem im Parlament.

© SZ vom 7. September 2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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