Ägpyten:Ende einer Freundschaft

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Die USA kürzen überraschend die Militärhilfe für Ägypten und prangern die Menschenrechtslage an. Kairo reagiert rasch - der Außenminister sagt Gespräche mit dem US-Unterhändler zum Nahostkonflikt ab.

Von Moritz Baumstieger, München

Erst kurz nach der Landung in Kairo erfuhr Jared Kushner, dass es an seinem Programm einige Änderungen geben sollte: Das für Mittwochnachtmittag geplante Gespräch mit Außenminister Sameh Shoukry würde kurzfristig entfallen, Ägyptens Chefdiplomat hatte den Termin abgesagt. Mit ihm wollte der Schwiegersohn von Donald Trump neue Wege zu Friedensgesprächen zwischen Israelis und Palästinensern ausloten. Der US-Präsident hat Kushner mit der Lösung des Nahost-Konflikts beauftragt, der 36-Jährige tourt deshalb derzeit durch die Region.

Bei einem Besuch in Saudi-Arabien Ende Mai schien die Chemie zwischen Abdelfattah al-Sisi (links) und Donald Trump (rechts) noch zu stimmen. (Foto: Jonathan Ernst/Reuters)

Am Ende trafen Kushner und seine Begleiter - Trumps Sonderbeauftragter für internationale Verhandlungen Jason Greenblatt und die stellvertretende nationale Sicherheitsberaterin Dina Powell - den ägyptischen Außenminister doch noch. Es gab wohl zu viel auf einmal zu klären zwischen den USA und Ägypten, die eben noch einander so eng verbunden zu sein schienen wie lange nicht mehr. Offiziell ging es um den Friedensprozess in Nachost.

Grund für die plötzlichen Irritationen ist eine Nachricht, die Dienstagnacht in Washington durchsickerte: US-Außenminister Rex Tillerson verfügt, die Finanzhilfen für das ägyptische Militär um fast 100 Millionen Dollar zu kürzen. Damit nicht genug: Die Auszahlung weiterer 195 Millionen Dollar ließ Tillerson vorerst stoppen, bis Ägypten Fortschritte bei der Demokratisierung und Verbesserung der Menschenrechtslage nachweisen kann.

Die Entscheidung des US-Außenministeriums hatte sowohl Beobachter in Washington überrascht als auch Ägyptens Führung in Kairo. Präsident Abdel Fattah al-Sisi hat sich zwar innenpolitisch dem Ziel verschrieben, alles ihm Mögliche zu tun, um einen neuerlichen Volksaufstand zu verhindern wie den gegen seinen Vor-Vorgänger Hosni Mubarak 2011: Die Muslimbruderschaft ist verboten, echte wie vermeintliche Mitglieder werden gnadenlos verfolgt. In den Gefängnissen des Landes sitzen Zehntausende Aktivisten von Oppositions- und Menschenrechtsgruppen, viele von ihnen ohne offizielle Anklage. Unabhängige Medien werden nicht mehr nur gegängelt, sondern gleich geschlossen oder geblockt: Der neuste Zugang auf der Liste der mittlerweile mehr als 130 Internetseiten, die in Ägypten nicht mehr erreichbar sind, ist das von der Deutschen Welle betriebene Onlinemagazin Qantara.

Aus ägyptischen Häfen soll Militärtechnik für Diktator Kim Jong-un verschifft worden sein

All diesen Missständen zum Trotz hatte Trump seinen ägyptischen Kollegen noch im April bei einem Empfang im Weißen Haus attestiert, "unglaublich gute Arbeit" zu leisten. Sisi, der wegen des harten Vorgehens gegen seine Gegner unter Barack Obama als unerwünschte Person in Washington galt, lobte Trump im Gegenzug als "außergewöhnliche Persönlichkeit, die das Unmögliche zu tun imstande ist". Der US-Präsident stimmte dieser Analyse wenig überraschend zu, die beiden schienen sich zu verstehen. Diese Bande wurden bei Trumps Reise nach Saudi-Arabien einen Monat später gestärkt. "Ich bin nicht hier, um Sie zu belehren", sagte Trump zu Sisi und anderen arabischen Staatsoberhäuptern. Der US-Präsident gab sinngemäß zu verstehen, seine Regierung werde sie mit Menschenrechtskram in Ruhe lassen, der Kampf gegen den Terror sei wichtiger.

Dass die Regierung Trump aber nun das aus Sicht der Ägypter Unmögliche tut und die Militärhilfe für den nach Israel zweitgrößten Empfänger kürzt, schreiben Beobachter zwei Faktoren zu: Zum einen ist in Washington die Verärgerung groß über eine neue Regelung, die Nichtregierungsorganisationen (NGOs) unter schärfste Kontrolle stellt, wie Mitarbeiter des Außenministeriums US-Medien bestätigten. Ägyptische Diplomaten hätten immer wieder versichert, dass das Gesetz nicht so wie vom Parlament verabschiedet umgesetzt werde - Ende Mai unterschrieb Sisi es doch. Berichten der New York Times zufolge spielt jedoch noch eine andere internationale Krise mit in die Entscheidung Tillersons hinein: Trotz wiederholter Aufforderungen habe Ägypten den Handel mit Nordkorea nicht völlig eingestellt, über Häfen am Suezkanal werde gar Militärtechnik an die Armee von Diktator Kim Jong-un verschickt. Ohne auf die Vorwürfe einzugehen, sprach Ägyptens Außenministerium von einer "Fehleinschätzung" seitens der USA, deren Entscheidung man "bedauere". Präsident Sisi trug das Jared Kushner vielleicht auch noch persönlich vor.

© SZ vom 24.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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