Abzug aus dem Irak:Problemlöser statt Kreuzritter

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Admiral Mullen wird neuer Generalstabschef der USA. Er könnte eine Wende einleiten: Laut Berichten der Washington Post sollen 100.000 Soldaten bis 2009 abgezogen werden.

Christian Wernicke

Zumindest auf den ersten Blick verheißt der Personalwechsel im Pentagon eine Art Kulturrevolution. Peter Pace, schneidiger General des Marinekorps mit stets strammer Haltung und akkurat ausrasiertem Nacken, muss abtreten und Platz machen für Admiral Michael G. Mullen, der mit seinen tiefen Denkerfalten auf der Stirn und der randlosen Brille auf der Nase doch eher wie ein Buchhalter denn wie der künftige Generalstabschef der Vereinigten Staaten anmutet.

Das nährt Spekulationen, Verteidigungsminister Robert Gates führe mehr im Schilde: Soll der Neuanfang an der Spitze des Hauses Signal sein für eine Wende auch draußen im Felde, im Irak und in Afghanistan?

So mancher Kenner des Pentagons hält das für möglich. Mullen sei mehr ein kühler Manager als der Visionär neuer Weltordnungen, lautet der Tenor in Amerikas Medien. "Er steht für den allgemeinen Trend in der Regierung: Weg von Kreuzzüglern, hin zur Problemlösern", sagt Loren Thompson, Militärexperte im Lexington Institute.

Sehr ähnlich äußert sich der pensionierte Navy-Admiral Robert Natter, ein langjähriger Freund des künftigen Vorsitzenden der Joint Chiefs of Staff: "Er wird pragmatisch mit Irak umgehen. Ich weiß es, weil ich lange mit ihm darüber geredet habe." Nur, das heißt auch: Michael Mullen steht eher für Kontinuität als für eine radikale Kehrtwende. Der 60-jährige Offizier, der sich mitten im Vietnamkrieg bei der Navy einschrieb, war ja eingebunden in Amerikas strategische Planungen.

"Ein Krieg für Generationen"

Als bisheriger Chef aller weltweiten Navy-Operationen ist Mullen der Dienstälteste unter den vier Kommandeuren der Teilstreitkräfte. In einer Rede im Mai schlug der frühere Befehlshaber der US-Atlantikflotte denselben Ton an wie sein Vorgänger: "Unser jetziger Feind ist von Grund auf böse und hasst fundamental alles, was wir sind - die demokratischen Prinzipien, für die wir stehen", erklärte er vor Soldaten auf Hawaii, "Dieser Krieg wird lange Zeit andauern. Es ist ein Krieg für Generationen."

Das klingt, als neige Mullen eher jener Fraktion im Pentagon zu, die neuerdings über eine langfristige US-Truppenpräsenz im Irak nachdenkt. Über Details zu diesem Szenario, das Minister Gates jüngst als "Modell Südkorea" ins Spiel brachte, berichtet am Sonntag die Washington Post. Die noch sehr vorläufigen Planungen für eine "Nach-Besatzungs-Zeit" sähen vor, etwa bis 2009 zwei Drittel der derzeit 150.000 Soldaten aus der Wüste abzuziehen - aber eben doch mit Zig-Tausenden Uniformierten im Irak zu bleiben.

"Irgendwie müssen wir, wenn wir denn nach Hause gehen, sicherstellen, dass wir nicht einfach gehen", deutete Mullen im April die sehr persönliche Lehre aus seiner Vietnamerfahrung an, "denn falls wir das tun, wird es nicht lange dauern, bis wir wieder zurückkehren werden".

Neue Ideen wagen zu können, statt alte Debatten ertragen zu müssen - das war für Minister Gates erklärtermaßen das Hauptmotiv der Beförderung Mullens. General Pace galt als allzu ergebener Vertrauter von Gates' Vorgänger Donald Rumsfeld. Zudem hatte der Marine sich mit Bemerkungen, er halte Homosexualität für ähnlich unmoralisch wie Ehebruch, aufs politische Glatteis gewagt.

Demokratische Senatoren signalisierten Gates, die für eine Mandatsverlängerung fällige Anhörung von Pace werde "hässlich" werden. Gates fürchtete ein erneutes Tribunal über das Fiasko im Irak - und schlug Präsident George W. Bush vor, auf den treuen Pace zu verzichten. Bush attestierte dem scheidenden General, er habe "hervorragende Arbeit" geleistet und seinem Oberbefehlshaber "mit Offenheit, Integrität und Freundschaft" gedient. Aber das war ein schwacher Trost. Wie es heißt, ist Peter Pace "zutiefst enttäuscht" über seine vorzeitige Pensionierung.

© SZ vom 11. Juni 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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