Abgasbelastung:Milliardenprogramm für saubere Luft in Städten

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Der Dieselgipfel beschließt, die Umstellung auf emissionslose Antriebe zu fördern - und kritisiert die Autoindustrie.

Von Michael Bauchmüller und Max Hägler, Berlin/München

Deutschlands Städte sollen ab sofort finanzielle Unterstützung beim Kampf gegen schlechte Luft bekommen. Bereits von diesem Mittwoch an könnten Kommunen mit hoher Abgasbelastung Fördermittel abrufen, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach einem neuerlichen Dieselgipfel mit Oberbürgermeistern und Landespolitikern in Berlin. Eine neue Stelle beim Bundesverkehrsministerium solle die Anträge von Kommunen rasch bearbeiten, sagte Merkel, "damit das Geld möglichst schnell bei den Menschen ankommt".

In Dutzenden deutschen Städten drohen derzeit Fahrverbote, weil dort die Luft mehr gesundheitsschädliches Stickoxid enthält als zulässig. Hauptverursacher sind Dieselfahrzeuge. Der Bund will deshalb 750 Millionen Euro Förderung zur Verfügung stellen, weitere 250 Millionen Euro will die Automobilindustrie beisteuern, aufgeteilt nach Marktanteil. Mithilfe dieses Geldes sollen die Kommunen etwa mehr Elektroautos und -busse und die passenden Ladesäulen anschaffen können. Gefördert werden ebenfalls Nachrüstungen für Dieselbusse; ausgerüstet mit modernen Katalysatoren soll der Abgasausstoß bei älteren Nutzfahrzeugen deutlich sinken. Auch digitale Verkehrssteuerungen sollen gefördert werden, ob Ampelanlagen oder Parkhaus-Wegweiser. Der stetig fließende Verkehr könnte helfen, die Stickoxid-Emissionen zu drosseln. Der Bund will seinen Anteil über einen Topf finanzieren, der eigentlich für den Klimaschutz vorgesehen war. Die Städte zogen eine gemischte Bilanz. So solle zwar mit 350 Millionen Euro die Anschaffung von Elektrobussen gefördert werden, sagte der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD), der auch dem Verband Kommunaler Unternehmen vorsteht. "Davon lassen sich aber nur 400 Busse anschaffen." Als Signal an deutsche Hersteller, endlich mehr Elektrobusse zu bauen, tauge das noch nicht. Ein großer Gelenkbus mit Dieselmotor kostet etwa 350 000 Euro, für bislang kaum erhältliche E-Varianten rechnen die Kommunen derzeit mit mehr als doppelt so hohen Kosten. Merkel stellte in Aussicht, der Bund könne die Fördermittel nicht nur einmalig, sondern jedes Jahr bereitstellen. Dafür wolle sie sich in Verhandlungen über eine Koalition einsetzen, sagte die Kanzlerin.

Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) beklagte nach dem Treffen, die Autobauer dürften "nicht außen vor" bleiben. So brauche es Nachrüst-Katalysatoren für Pkw und ein breiteres Angebot an Elektrofahrzeugen. Merkel selbst sprach mit Blick auf die Autoindustrie von einem "nicht anwesenden Elefanten im Raum". Die Hersteller, denen Tricksereien bei der Angabe von Schadstoffwerten vorgeworfen werden, sollen am nächsten Gipfel teilnehmen - und dann ihren Teil zur Lösung des Problems vortragen. Mehrere Bürgermeister, unter ihnen Münchens OB Dieter Reiter (SPD), verlangten die Einführung einer "blauen Plakette". Sie könnte schmutzige Diesel gezielt aus den Innenstädten auszusperren.

© SZ vom 29.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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