75 Jahre Vereinte Nationen:Trump: China zur Rechenschaft ziehen

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Der US-Präsident beschuldigt Peking, für die Pandemie verantwortlich zu sein. Andere Staatschefs ruft er bei der UN-Vollversammlung auf, Eigeninteressen an erste Stelle zu setzen.

Von Tobias Matern, München

Donald Trump hat seinen Auftritt bei der Vollversammlung der Vereinten Nationen zu einem Frontalangriff gegen China genutzt. Der US-Präsident sagte in einer im Weißen Haus aufgezeichneten Rede, die am Dienstag per Videoschalte in das Plenum von New York übertragen wurde, die UN müssten Peking "zur Rechenschaft ziehen", weil die Regierung das Ausmaß der Corona-Pandemie verschleiert habe. Das "China-Virus" habe sich global so rasant ausbreiten können, weil Peking und auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die weitgehend "von China kontrolliert" werde, fehlerhaft über die Ausbreitung des Erregers informiert hätten.

In New York findet seit Montag die 75. Generalversammlung der aus 193 Mitgliedstaaten bestehenden Vereinten Nationen statt - aufgrund der Corona-Pandemie weitgehend virtuell.

Die Staats- und Regierungschefs werden für ihre Ansprachen per Video zugeschaltet. Trump betonte in seiner Rede, die in großen Teilen weniger wie eine Ansprache an die UN als wie ein Wahlkampfauftritt klang, seine Regierung habe durch beherztes Krisenmanagement Schlimmeres in den Vereinigten Staaten verhindern können. Die USA sind indes das Land mit den offiziell meisten Corona-Fällen. Nach Angaben der Johns-Hopkins-Universität vom Dienstag haben sich mehr als 6,8 Millionen Menschen in den Vereinigten Staaten mit dem Virus infiziert, mehr als 200 000 Menschen sind an den Folgen bislang gestorben. Auf diese Zahlen ging Trump jedoch nicht ein, stattdessen betonte er, dass baldige Erfolge für einen Corona-Impfstoff zu erwarten seien. In mehreren Fällen befänden sich die klinischen Tests in einem fortgeschrittenen Stadium. Experten bezweifeln hingegen, dass bereits in naher Zukunft ein Impfstoff verfügbar sein wird. Trump ermunterte die anderen Staats- und Regierungschefs, seiner Maxime zu folgen: "Ich setze Amerika an die erste Stelle, so wie Sie Ihre Länder an die erste Stelle setzen sollten", sagte der Präsident - was dem Gedanken des Multilateralismus, für den die Vereinten Nationen eigentlich stehen, widerspricht.

Chinas Präsident Xi Jinping, dessen Rede kurz nach Trumps Auftritt übertragen wurde, wies die Vorwürfe zurück.

Sein Land habe nicht die Absicht, gegen irgendein Land "einen Kalten Krieg oder einen heißen" zu führen. Vielmehr solle die Welt solidarisch im Kampf gegen die Pandemie zusammenstehen. Russlands Präsident Wladimir Putin schlug eine Konferenz zur Kooperation bei Impfstoffen vor. "Wir sind bereit, unsere Erfahrungen zu teilen und mit allen Staaten und internationalen Instanzen bei der Entwicklung von Corona-Impfstoffen zusammenzuarbeiten", sagt Putin. UN-Generalsekretär António Guterres nannte den Kampf gegen die Corona-Pandemie einen "Moment wie 1945", als sich die Welt mit der globalen Zerstörung infolge des Zweiten Weltkriegs auseinandersetzen musste. Im Kampf gegen den Klimawandel versprach der chinesische Staatschef Xi bei der Vollversammlung, dass sein Land "vor 2060" die Klimaneutralität schaffen wolle. Bisher hatte China noch kein Ziel für Klimaneutralität formuliert.

© SZ vom 23.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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