60 Jahre CSU:Große Siege, pralle Skandale

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Weil die CSU erfolgreicher ist als alle anderen Parteien, sind auch ihre Skandale praller, ihre Intrigen giftiger und ihre Machtkämpfe brutaler gewesen als bei anderen.

Peter Fahrenholz

Es wird so sein wie immer, wenn die CSU sich selber feiert: da wird die einzigartige Erfolgsgeschichte einer Partei ausgebreitet werden, die Bayern jetzt schon seit 43 Jahren mit absoluter Mehrheit regiert. Die erfolgreichste Partei Europas eben, so lautet das Selbstverständnis.

Die Schattenseiten der CSU werden - wie immer - ausgespart werden. Dabei waren die 60 Jahre CSU auch eine Zeit mit Skandalen, Intrigen und Machtkämpfen. Und wahrscheinlich verhält es sich mit den Schattenseiten so, wie mit der anderen Seite einer Medaille. Weil die CSU erfolgreicher ist als alle anderen Parteien, sind auch ihre Skandale praller, ihre Intrigen giftiger und ihre Machtkämpfe brutaler gewesen als bei anderen.

Allein die Frühgeschichte der CSU ist so chaotisch verlaufen wie bei keiner anderen Partei. In den ersten Jahren bekämpften sich der liberale Flügel um den Parteigründer Josef Müller ("Ochsensepp") und der klerikale Flügel um den rauschebärtigen Alois Hundhammer bis aufs Messer.

Eigentlich sollte Müller nach der Landtagswahl 1946, bei der die CSU 52,3 Prozent holte, bayerischer Ministerpräsident werden, doch Hundhammer durchkreuzte das mit einer Intrige.

Auch der endgültige Durchbruch der CSU hat einen sinistren Hintergrund. Mit der so genannten "Spielbanken-Affäre" wurde der Hauptkonkurrent, die Bayernpartei, im Jahre 1959 eliminiert. Es ging um angebliche Schmiergelder für Spielbankkonzessionen, die beiden Bayernpartei-Minister Josef Baumgartner und August Geislhöringer wurden gezielt in einen Meineid getrieben.

Auch wenn der Bundesgerichtshof die Urteile gegen die beiden Männer wenig später aufhob, die Bayernpartei war politisch erledigt.

Im Jahr 1961 begann die lange Regentschaft von Franz Josef Strauß über die CSU und damit das wohl bunteste Kapitel in der Geschichte der Partei. Unter Strauß begann die Verschmelzung zwischen CSU und Bayern, die CSU wurde zur bayerischen Staatspartei, gleichzeitig begann aber die Grenze zwischen Recht und Unrecht immer unschärfer zu werden.

Die Methoden zur Bekämpfung innerparteilicher Gegner blieben freilich so raubeinig wie in den wilden Anfangsjahren. Unvergessen ist etwa das so genannte "Heubl-Dossier" aus dem Jahr 1976, als Strauß noch in Bonn war.

Mit Material aus anonymen Quellen, zusammengetragen von willfährigen Beamten, sollte der CSU-Vize Franz Heubl diskreditiert werden - in ihm sah Strauß einen unerwünschten Konkurrenten. Heubl sei "stinkfaul" und brauche immer "einen langen Mittagsschlaf, für den er in Decken gehüllt werden müsse", hieß es im dem Dossier beispielsweise.

Byzantinisches Treiben

Als Strauß 1978 bayerischer Ministerpräsident wurde, etablierte er eine augenzwinkernde Spezl-Wirtschaft, die immer wieder allerlei Skandale und Affären produzierte, an denen sich aber in der CSU niemand groß störte, weil es dem Land und der Partei prächtig ging.

Wenn der für das Entertainment des Strauß-Clans zuständige Mercedes-Statthalter "Karli" Dersch dem CSU-Chef einen Gratis-Geländewagen für die Überquerung unwegsamer Alpenpässe hinstellte, gab es nicht etwa naserümpfende Schlagzeilen, sondern einen Testbericht des begeisterten Hobby-Chauffeurs für Bild am Sonntag.

Als Lothar Späth 1991 wegen seiner "Traumschiff-Reisen" zurücktreten musste, schüttelte das CSU-Establishment ungläubig den Kopf. Dann hätte ja Franz Josef selig beinahe jede Woche seinen Hut nehmen müssen. In München galt vielmehr die Devise "Cosi fan tutte" - so machen' s doch alle.

Dass der Strauß-Nachfolger Max Streibl 1983 über die "Amigo-Affäre" stolperte, bei der es unter anderem auch um Gratis-Reisen auf Kosten eines befreundeten Unternehmers gegangen war, hatte weniger damit zu tun, dass das Unrechtsbewusstsein in der CSU über Nacht höher geworden wäre.

Sondern mit einem anderen Reflex, der die Geschichte der CSU bis heute prägt: Wenn die absolute Mehrheit in Bayern in Gefahr ist, hat die Partei sich entweder rechtzeitig inhaltlich gehäutet oder ihre Führungsfiguren brutal ausgetauscht.

Erst Edmund Stoiber hat das byzantinische Treiben, das am Hofe von Strauß geherrscht hat, endgültig abgestellt. Seitdem haben die CSU-Affären ihren barocken Charakter verloren und bundesdeutsches Normalmaß angenommen. Allerdings gilt seit dem Amtsantritt Stoibers als oberstes Gesetz, dass an Fehlern und Pannen niemals der Chef schuld sein darf, sondern immer rechtzeitig ein Sündenbock gesucht werden müsse.

Diese Maxime kostete 1999 den bayerischen Justizminister Alfred Sauter im Rahmen der so genannten LWS-Affäre den Job, was ihn bis heute auf Revanche sinnen lässt.

Die Gelegenheit dazu könnte schneller kommen, als Stoiber gedacht hat. Nicht durch irgendeine neue Affäre, da ist nichts in Sicht. Diesmal geht es tatsächlich nur um ganz normale politische Fehler, gepaart mit dem üblichen Erosionsprozess.

Wenn nicht alle Anzeichen trügen, steht die CSU wieder einmal vor einer schweren Herausforderung. Sie muss ihrem Ministerpräsidenten und Parteichef irgendwie klar machen, dass seine Zeit vorbei ist, ohne dass er diese Einsicht teilen würde. Davon wird heute auf dem Münchner Nockherberg freilich keine Rede sein. Dort geht es nur um die Erfolgsgeschichte einer Partei, die sich gerne so inszeniert, als ob sie Bayern erfunden hätte.

© SZ vom 2.12.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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