US-Sanktionen:Machtwirtschaft

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Washington missbraucht das eigentlich sinnvolle Mittel der Sanktionen, um eigene Verbündete auf seine Linie zu zwingen. Das kann sich rächen.

Von Georg Mascolo

Die Idee, eine der machtvollsten Waffen der USA in aller Welt einzusetzen, kam beim Frühstück. Stuart Levey, ein Beamter aus dem US-Finanzministerium las in der Zeitung darüber, dass eine Schweizer Bank ihre Geschäfte mit Iran beendet hatte. Wie also wäre es, wenn man andere Banken und Konzerne dazu bringen könnte, dies ebenfalls zu tun? Der Beamte riss die Geschichte heraus und nahm sie mit nach Washington.

Das war 2006, und inzwischen sind die USA Meister darin, einen Wirtschaftsboykott zu arrangieren, um Länder wie Iran, Russland oder Venezuela zu bestrafen. Aber aus der guten Idee, wirtschaftliche Macht einzusetzen, um gegen staatlichen Mord, Terrorismus oder den Bau von Massenvernichtungswaffen vorzugehen, ist eine Zumutung geworden. Die USA nutzen den enormen Einfluss ihres Finanzsystems und ihrer Volkswirtschaft inzwischen auch, um Ziele durchzusetzen, die verbündete Staaten nicht teilen. Oder sogar für gefährlich halten.

Iran ist das prominenteste Beispiel. US-Präsident Donald Trump hat das Atomabkommen aufgekündigt, die Europäer wollen es erhalten. "Jeder, der Geschäfte mit Iran macht, wird keine Geschäfte mit den USA machen", twitterte Trump. Wo früher geworben und argumentiert wurde, wird jetzt offen gedroht. Die Brechstange ist der Dollar. Europa, vor allem Deutschland trifft dies hart.

Das Instrument, mit dessen Hilfe dies geschieht, heißt "sekundäre Sanktionen": Banken oder Unternehmen, die Geschäfte mit manchen jener machen, die in den USA auf Sanktionslisten stehen, dürfen dann in den USA keine Geschäfte mehr machen. In ganze Branchen, etwa die iranische Energieindustrie, kann nicht mehr gefahrlos investiert werden. Ein französischer Konzern zum Beispiel, der dies tut, ist in den USA draußen. Selbst wenn alles nach französischem Recht legal ist.

Die Europäer versuchen, ihre Unternehmen vor US-Sanktionen zu schützen, eine EU-Verordnung verbietet sogar, sich an bestimmte Sanktionen zu halten. Aber die Angst ist zu groß. In Scharen ziehen sich Firmen und Geldhäuser aus dem Iran-Geschäft zurück, kappen Bankverbindungen oder stellen den Flugverkehr ein. Ein neuer Konflikt könnte nun bei der umstrittenen Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 entstehen. Der US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, hat den am Bau beteiligten Firmen Briefe geschrieben, ein Engagement im russischen Energiesektor könne "ein erhebliches Sanktionsrisiko nach sich ziehen".

Einst machten die Europäer und die USA bei Sanktionen gemeinsame Sache, es ist besser, den Handelsverkehr zu unterbrechen, als Bomben zu werfen. Im Fall Iran führte dies dazu, dass das Land verhandlungsbereit wurde. Die USA bewiesen den oft zögerlichen Europäern, dass ein solches Vorgehen sinnvoll sein kann. Es war eine Sternstunde im transatlantischen Verhältnis. Nun setzen die USA Sanktionen nicht mehr nur gegen Gegner ein, sondern auch gegen Freunde. Sie werden nicht mehr überzeugt, sie sollen gezwungen werden. Machtwirtschaft. Und nicht immer ist klar, wo die Politik endet und US-Wirtschaftsinteressen beginnen. Statt des russischen Gases möchten die USA ihr Flüssiggas in Europa verkaufen.

In Brüssel und in Berlin ist Wut zu spüren. Die Methode gab es schon vor Trump, aber Trump treibt die Konflikte auf die Spitze. Der Türkei drohte er mit "wirtschaftlicher Zerstörung", wenn sie in syrische Kurdengebiete einmarschiert.

Proteste aber bleiben ungehört. Es sei unerträglich, dass sich deutsche Firmen zwischen ihrer eigenen und der US-Regierung entscheiden müssten, richtete das Kanzleramt dem Weißen Haus aus. Wie es denn wäre, wenn die EU amerikanische Firmen sanktionierte, die trotz des Mordes an dem Journalisten Jamal Khashoggi weiter Milliarden-Geschäfte in Saudi-Arabien machen, fragten EU-Diplomaten.

Seit Monaten wird nach Auswegen gesucht, eine "Zweckgesellschaft" soll den europäischen Handel mit Iran schützen. Wenn sich ein Land findet, das sie aufnimmt. Man hat Angst vor Sanktionen. Verbündete arbeiten offen gegeneinander. Sollte es auch die an Nord Stream 2 beteiligten Firmen treffen, würde der Konflikt eskalieren. Im Fall Iran entscheiden sich deutsche Firmen gegen einen Konflikt mit den USA. Die Geschäfte mit Iran sind zu unbedeutend. Der Handel mit Russland spielt in einer anderen Liga.

Die USA haben Sanktionen zum machtvollen Instrument entwickelt. Kluge US-Politiker wie Jacob Lew aber warnen vor einer "Überbeanspruchung". Die Versuchung sei groß, dieses Mittel zu oft einzusetzen - keine mühsamen Debatten, Diskussionen, Kompromisse. "America First" eben. Auch der US-Kongress liebt das. Lew warnt vor den Folgen: Man dürfe "nicht überrascht sein", wenn andere Staaten "Wege suchen, keine Geschäfte in den Vereinigten Staaten oder in amerikanischen Dollar mehr zu tätigen". Lew war Finanzminister unter Barack Obama. Trump wird wohl nicht auf ihn hören.

© SZ vom 24.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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