Pro Tempolimit:Nur vernünftig

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Der Verkehrsminister bezahlt teure Werbekampagnen gegen Raser - aber eine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung auf deutschen Autobahnen hält er für "unverantwortlich". Dabei würde diese Menschen retten und dem Klima guttun.

Von Markus Balser

Was das Tempo auf deutschen Autobahnen mit Emotionen zu tun hat? Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat dafür gerade ein beeindruckendes Beispiel geliefert. Auf eine harmlose Ideensammlung von Regierungsberatern reagierte der CSU-Politiker heftig: Dass unter deren Vorschlägen für mehr Klimaschutz im Straßenverkehr ein bundesweites Tempolimit auf deutschen Autobahnen war, ließ den Minister rasen. Scheuer sprach von "unverantwortlichen" Gedankenspielen - und macht die Sache erst recht zum Thema.

Denn unverantwortlich ist es, der Raserei auf deutschen Straßen tatenlos zuzusehen. Unverantwortlich sind mehr als 400 Tote jährlich auf deutschen Autobahnen, viele davon durch zu hohes Tempo. Und unverantwortlich ist es, dass der Verkehrssektor bislang viel zu wenig zum Kampf gegen die Erderwärmung beiträgt. Es wäre ein kleiner Eingriff in die Freiheit der deutschen Autofahrer, das eigene Tempo bei 130 km/h zu drosseln. Einer, mit dem die meisten Deutschen gar kein Problem hätten: 52 Prozent sind laut Umfragen dafür, diese Verantwortung zu übernehmen.

Doch die Gegner sind einflussreich. Vor allem die Autoindustrie hält in Verbänden und Gremien dagegen. Sie fürchtet um das Image des Sportwagenstandorts. Ein Tempolimit in Deutschland? Wie soll man das Porsche-Kunden in aller Welt verkaufen? Der Verkehrsminister bezahlt zwar teure Werbekampagnen, um die Deutschen zu entschleunigen, "Runter vom Gas" heißt eine. Unangepasste Geschwindigkeit sei Unfallursache Nummer eins, warnt das Ministerium. Ein generelles Tempolimit hingegen ist laut Scheuer "gegen jeden Menschenverstand."

Die deutsche Verkehrsstatistik zeigt allerdings ein eindeutiges Bild: Sie lässt einen klaren Zusammenhang zwischen Tempo und Sicherheit auf Fernstraßen erkennen. Ein Drittel der deutschen Autobahnen sind schon heute mit generellen Geschwindigkeitsbeschränkungen ausgestattet. Außerhalb dieser Zonen liegt die Zahl der Getöteten je Autobahnkilometer je nach Jahr um zehn bis 40 Prozent höher als in denen mit Limit. Und die Zeit drängt, denn das Anfang der Dekade von der damaligen Bundesregierung formulierte Ziel, die Zahl der Verkehrstoten bis 2020 um 40 Prozent zu senken, ist wohl nicht mehr zu erreichen. Noch immer sterben jährlich mehr als 3000 Menschen im Straßenverkehr.

Auch beim Klimaschutz würde ein Tempolimit helfen. Einige Millionen Tonnen CO₂ ließen sich so pro Jahr einsparen. Der Verkehrssektor steht unter hohem Druck, weil er als einziger Bereich seit 1990 seine Emissionen gar nicht reduziert hat. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung und der damit verbundene geringere Verbrauch würden die Autofahrer - anders als höhere Benzinpreise - noch nicht einmal etwas kosten.

Wäre ein Tempolimit wirklich verantwortungslos, wie Scheuer behauptet, sähe die Sache vielleicht auch international anders aus. Deutschland ist der einzige Staat in Europa und der einzige Industriestaat der Welt, der das Rasen nicht prinzipiell, sondern nur streckenweise untersagt. Welche Länder verkehrspolitisch auf gleicher Welle wie die Bundesregierung liegen? Afghanistan und Somalia.

© SZ vom 22.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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