Nordkorea:Beförderung der Schwester

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Hochgerückt im Machtgefüge: Kim Yo-jong, Schwester von Nordkoreas Staatschef Kim Jong-un, bei einem Kondolenzbesuch im Grenzdorf Panmunjom. (Foto: AFP)

Diktator Kim Jong-un übergibt der Familie mehr Macht - ein Zeichen der Unsicherheit?

Von Christoph Neidhart, Tokio

Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un scheint seine jüngere Schwester Kim Yo-jong in eine Top-Position befördert zu haben. Das berichtete der südkoreanische Geheimdienst diese Woche einer Parlamentskommission in Seoul. Die Sitzordnung beim Massenspektakel, das vorige Woche für den chinesischen Präsidenten Xi Jinping gegeben wurde, bestätige dies.

Bisher war die 31-Jährige als Kims Stabschefin in Erscheinung getreten. In dieser Rolle kümmerte sie sich beinahe mütterlich um den mächtigen Bruder. Bei seinen öffentlichen Auftritten, auch bei den Gipfeln, war sie stets in seiner Nähe, blieb aber im Hintergrund. Und sprang herbei, etwa um seinen Stuhl zurechtzurücken oder ihm den Füller für eine Unterschrift zu reichen. Offiziell war sie Vize-Chefin der Propaganda-Abteilung der Arbeiterpartei.

Beim Spektakel vor 100 000 Zuschauern im "Stadion des 1. Mai", einer Mischung aus Turnfest und patriotischer Propaganda, saß Kim Yo-jong neben Kim Yong-chol, dem früheren Spionage-Chef, der bis zu Kim Jong-uns Gipfel mit US-Präsident Donald Trump in Hanoi Chefunterhändler für den Dialog mit den USA war. Das belege, dass die kleine Schwester auf eine Rangebene mit Choe Ryong-hae gerückt sei, so der Geheimdienst. Der frühere Vize-Marschall ist im April zu Kims Stellvertreter in der "Kommission für Staatsgeschäfte" ernannt worden, der früheren "Militärkommission", dem eigentlichen Machtzentrum Nordkoreas. Damit ist er de facto die Nummer Zwei der Hierarchie. Im April wurde er zum Vorsitzenden der Obersten Volksversammlung gewählt. Damit ist er das protokollarische Staatsoberhaupt. Außerdem soll der 69-Jährige Kim Yo-jongs Schwiegervater sein.

Die Schwester reiste vor den Olympischen Spiele 2018 in Pyeongchang als erstes Mitglied des Kim-Clans nach Südkorea, wo sie mit ihrem stillen Charme viele Sympathien gewann. Wie ihr Bruder besuchte sie einige Jahre eine Schule in Bern.

Die Beförderung der Schwester zeigt, dass Kim Jong-un immer mehr Macht auf die Familie konzentriert. Zugleich wechselt er ständig Generäle und führende Geheimdienstleute aus. Das habe es früher nie gegeben, sagte Thae Yong-ho jüngst in Tokio. Thae war bis 2016 die Nummer Zwei der nordkoreanischen Botschaft in London. Dann lief er nach Südkorea über. Er halte Kims Regime mittelfristig für stabil, sagt er. Zehn Jahre gebe er ihm noch, "zwanzig nicht". Einen Militärputsch schließt er aus, schon weil die 200 000 Soldaten in Pjöngjang nicht der Generalität, sondern Kims Leibwache unterstehen. "Kein General wäre in der Lage, alle Einheiten zusammen zu mobilisieren."

Kims ständige Umbesetzungen deutet Thae als Zeichen der Unsicherheit. Die Konzentration der Macht auf die Familie kann man wohl ähnlich interpretieren. Jüngste Gerüchte aus Südkorea besagten, Kim habe nach dem Scheitern des Gipfels in Hanoi hohe Funktionäre hinrichten lassen. Thae glaubt diesen Gerüchten nicht.

Seit dem Gipfel in Hanoi führe das Außenministerium den Dialog mit den USA, der zur Vorbereitung des dritten Gipfels mit Trump im Gange sei, wie Südkoreas Präsident Moon Jae-in am Mittwoch bestätigte. Wenn der US-Präsident nach dem G20-Gipfel in Osaka übers Wochenende Südkorea besuche, sei dies eines der wichtigen Gesprächsthemen, so Moon.

"Vielleicht mussten einige Leute Selbstkritik üben, oder sie wurden für einige Monate zur Umerziehung geschickt", sagt Thae über die Hinrichtungsgerüchte. Auch Kims Schwester wurde drei Monate lang nicht gesehen. Einige Medien in Südkorea schlossen daraus, sie sei ebenfalls aufs Land abkommandiert worden. Ihre Rückkehr in einer mächtigeren Position dürfte dies widerlegen.

© SZ vom 27.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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