Meine Presseschau:König Bibi

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Der erfolgreichste Premier aller Zeiten oder der Untergang des Landes? Kommentare zum Wahlausgang in Israel.

Von Alexandra Föderl-Schmid

Zauberer, König, politisches Genie: Diese Beschreibungen waren in den vergangenen Tagen am häufigsten über Benjamin Netanjahu in den israelischen Medien zu lesen und zu hören. Netanjahu hat einen triumphalen Wahlsieg eingefahren. Sein rechtsnationaler Likud hat laut dem vorläufigen Endergebnis mit 26,45 Prozent 36 der 120 Sitze in der Knesset erobert, das von Benny Gantz geführte blau-weiße Bündnis mit 26,11 Prozent 35 Sitze. Nach Ansicht der Netanjahu ohnehin stets wohlgesonnenen Gratiszeitung Israel Hayom verschafft ihm das noch einmal einen großen Schub für seine fünfte Amtszeit. Am Tag nach der Wahl hatte die Zeitung auf jeder Seite einen winkenden Netanjahu platziert - wohl in Anspielung auf seinen nunmehr gängigen Spitznamen König Bibi. "Alle paar Jahre stellen sich Parteien zur Wahl, und am Ende gewinnt immer Netanjahu", heißt es in einem Kommentar.

"Es herrschte die Annahme, dass Benjamin Netanjahu diese Wahlen verliert: drei Korruptionsanklagen und drei ehemalige Generalstabschefs der Armee, die zusammen gegen ihn antraten. Aber all das hat nicht ausgereicht, um Netanjahu eine Niederlage zuzufügen. Er weigerte sich einfach, sich geschlagen zu geben", heißt es in einem Kommentar in der konservativen Jerusalem Post. Wie ein Kommentator der Times of Israel vermutet, wird Netanjahu seinen Wahlsieg dazu nutzen, "um seine juristischen Schwierigkeiten abzuwehren".

Die linksliberale Haaretz, die Netanjahu mit sehr kritischer Distanz gegenübersteht, blickt in die Zukunft und prophezeit: "Bibi ist das politische Genie, das Israel in den Abgrund führt." Nun gebe es die "beste Chance für Israels Rechte, ihren Traum von der Annexion des Westjordanlandes umzusetzen".

Das war eine zentrale Forderung der den Siedlern nahestehenden Partei Neue Rechte, die von den ehemaligen Ministern Naftali Bennett und Ayelet Schaked gegründet wurde und knapp den Einzug in die Knesset verfehlt hatte. Sie erfuhren erst in der Nacht zum Freitag nach Veröffentlichung der offiziellen Ergebnisse, dass sie es nicht geschafft haben. Auf der Website des Wahlkomitees hieß es dagegen stundenlang, sie hätten die Hürde übersprungen. Der Gründer der Times of Israel kritisierte in einem Kommentar, das zähe Auszählprozedere und technische Pannen haben "den Glauben an die Integrität des Wahlprozesses beschädigt".

Das war bereits am Wahltag der Fall: Eine PR-Firma verkündete am Tag danach, dass sie 1200 Likud-Anhänger mit Kameras in Wahllokale geschickt habe, um arabische Israelis vom Urnengang abzuschrecken. Deren Beteiligung war "die niedrigste seit vielen Jahren", schrieb die Firma jubelnd. Das Kalkül dahinter: Das nützt Netanjahu. Es ist aufgegangen.

© SZ vom 13.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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