Grafik der Woche:Biotope mit Altlasten

Ein Waldbrand auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz ist nur schwer zu löschen.

Von Joachim Käppner

Truppenübungsplätze dienen laut Verteidigungsministerium dazu, dass Soldaten "unter realistischen, einsatznahen Bedingungen trainieren können, ihre Aufgaben zu erfüllen und zu kämpfen". Nicht grundsätzlich finden diese Übungen im Gelände statt. Auf dem Übungsplatz Altmark etwa werden Gefechte digital simuliert. Die Historie der meisten dieser Plätze reicht weit in die deutsche Geschichte und ihre Schrecken zurück: In Altmark etwa trainierte die Artillerie der Wehrmacht für den "totalen Krieg"; anschließend wurde der Platz von der Sowjetarmee genutzt. Heuberg war bereits vor dem Ersten Weltkrieg Truppenübungsplatz, in der Nazizeit erst ein Konzentrationslager, dann schikanierte die Wehrmacht hier "Wehrunwürdige".

1 / 2
(Foto: BImA)

Hohenfels Das Areal ist wegen seiner Naturbelassenheit ein Natura-2000-Schutzgebiet. In Bergheim, einem der zahlreichen "abgesiedelten" Orte, wurde von den Amerikanern die zerstörte romanische Kirche wieder aufgebaut: als Heimat für eine fast ausgestorbene Fledermausart, die Große Hufeisennase.

Grafenwöhr Hier fanden 1958 und 1960 zwei legendäre Manöver der USTruppen statt. Unumstrittener Held: Elvis Presley als Jeepfahrer.

2 / 2
(Foto: Fabian Bimmer/Reuters)

Munster Das Gebiet wurde bis 1945 als "Gasplatz Breloh" für die Produktion von Chemiewaffen genutzt. 1919 explodierten 1000 Tonnen Kampfstoffe und eine Million Granaten. Die Räumung der toxischen Rückstände läuft immer noch.

Lehnin Die NVA baute hier eine gigantische Übungsanlage für den Häuserkampf: eine 2000-Einwohner-Stadt komplett mit Kanalnetz, Fußgängerunterführung, Bahnhof und Flughafen.

Heuberg Hier testete das Deutsche Reich eine "Wunderwaffe" gegen die alliierten Bombenangriffe, ein senkrecht startendes Raketenflugzeug, die Ba 349 Natter. Der weltweit erste vertikale Testflug am 1. März 1945 missglückte, der Pilot kam ums Leben. Die Natter kam nie zum Einsatz.

Todendorf Der kleinste Platz ist eigentlich der größte: Zu ihm gehört ein 50 000 Hektar großes Übungsgebiet auf See. Hier werden neben dem See-Land-Beschuss auch Operationen zur Anlandung und der Piratenabwehr geübt. Zudem gibt es einen Unterwasser-Sprengplatz.

Die Zahl der Plätze ist heute weit geringer als während Kaiserzeit, NS-Zeit und des Kalten Krieges. Aktive Übungsplätze dürfen nicht betreten werden, selbst ehemalige Plätze sind teils noch mit Resten von Munition und Sprengstoff kontaminiert.

Bei einem Waldbrand wie zuletzt in Lübtheen, Mecklenburg-Vorpommern, macht das die Löscharbeiten so gefährlich. In diesem Bundesland gelten mehr als 28 000 Hektar auf ehemaligen Truppenübungsplätzen als verseucht, in Brandenburg sogar 350 000 Hektar. 2018 barg der Kampfmittelräumdienst allein in Brandenburg mehr als 300 Tonnen Altmunition. Zu den unerwarteten Nutzern der Truppenübungsplätze gehören wilde Tiere wie der Wolf. Auf den großen Gebieten, die kaum betreten werden und nicht in private Jagdgebiete aufgeteilt sind, finden sie ideale Rückzugsräume.

© SZ vom 06.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: