Gema und Youtube:Der Kampf um den digitalen Rohstoff

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Wie kam es zur Einigung im großen Urheberrechtsstreit? Die Sperrbildschirme waren keine Anordnung der Gema, sondern sollten vielmehr ein junges Publikum gegen sie aufbringen. Daran will sich nun plötzlich niemand mehr erinnern.

Von Andrian Kreye

Wenn sich nun das Videoportal Youtube und die deutsche Verwertungsgesellschaft Gema geeinigt haben, ist das erst einmal ein seltener Sieg des Urheberrechts: Immerhin hat eine europäische Verwertungsgesellschaft ihren Kulturbegriff aus dem 20. Jahrhundert gegen die Geschäftsinteressen eines amerikanischen Digitalgiganten aus dem 21. Jahrhundert durchgesetzt. Erst einmal.

Für Nutzer bedeutet die Einigung, dass die Sperrbildschirme verschwinden, mit denen Youtube viele Musikvideos in Deutschland unsichtbar gemacht hat. Wobei es sich nur um eine Unannehmlichkeit handelte, weil man ja trotzdem noch viel Musik über das Videoportal bekam. Für Urheber, also für Musiker und Komponisten heißt es wohl, dass demnächst ein wenig mehr Geld an sie ausgeschüttet wird. Auch wenn beide Streitparteien keine Details veröffentlichen, wird es wohl nur sehr wenig mehr sein.

Warum nun die Einigung? Vor vier Jahren inszenierte die digitale Industrie den Urheberrechtsstreit noch erfolgreich als Generationenkonflikt. Die Sperrbildschirme waren ja keine Anordnung der Gema, sondern sollten ein junges Publikum gegen sie aufbringen. Daran will sich nun niemand mehr erinnern. Denn hinter der Einigung verbirgt sich ein Richtungswechsel der digitalen Industrie, der viel weiter reicht als der Streit um die Bruchteile eines Cents, die digitale Abrufe Urhebern bringen. Und da spielt die Höhe dieser digitalen Tantiemen, die Youtube und Gema erst einmal verheimlichen, sehr wohl eine Rolle.

Es geht um die Machtverhältnisse in der Kultur

Es geht den Digitalkonzernen jetzt vor allem darum, eine lästige Front zu befrieden. Mit den Verwertungsgesellschaften in den USA und Großbritannien hat sich Youtube längst geeinigt. Genauso wie Musikportale wie Spotify oder Apple Music längst Verträge mit der Musikindustrie abgeschlossen haben.

Nun wäre es sicherlich ein Fortschritt, wenn man das Urheberrecht so reformieren könnte, dass es die Realitäten der digitalen Welt abbildet. Das ist nicht zu erwarten. Also müssen Kompromisse her, denn der Druck auf die Konzerne steigt. Es geht um Marktanteile, die sehr viel mehr wert sind als Urheberrechte. Das weiß nicht nur Youtube, sondern vor allem die Konkurrenz wie Spotify und Apple Music, die Youtube als Musikportal die Monopolstellung gekostet hat. Vor allem aber kommt die Einigung zu einem Zeitpunkt, an dem sich die digitale Industrie neu definiert. Bisher beharrten Internetportale wie Youtube oder Facebook darauf, dass sie nur die technischen Mittel für die Verbreitung von Inhalten bereitstellen. Inhalte, sogenannter "content", sind inzwischen aber ein ähnlich wichtiger digitaler Rohstoff wie die Daten der Nutzer. Nur wer Inhalte liefert, bekommt auch solche Daten, die sich wiederum zu Geld machen lassen.

Die sensationelle Fusion des Telekomanbieters AT & T mit dem Medienkonzern Time Warner ist ein weiteres Anzeichen für das Umdenken. Apple hat das schon lange erkannt. Um noch mehr Geräte wie den Musikspieler iPod oder das iPhone zu verkaufen, lieferte die Firma über ihr Verkaufsportal iTunes gleich die Musik dazu.

Wenn sich digitale Konzerne in Zukunft aber auch als Kulturlieferanten oder gar -produzenten verstehen, können sie über solche Einigungen und Kompromisse Rahmenbedingungen schaffen, mit denen die Machtverhältnisse der Kultur auf lange Zeit zementiert werden.

Für die Nutzer wird das wenig bedeuten. Große Mengen Kultur zum kleinen Preis werden sich immer durchsetzen. Für die Kulturschaffenden geht es bei diesen Verhandlungen allerdings um ihre Zukunft. Da bleibt die Frage, ob und wie ein nationaler Verein namens Gema der Wirtschaftsmacht eines Weltkonzerns gewachsen ist, um nicht nur Kompromisse zu erreichen.

© SZ vom 03.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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