150. Geburtstag:Böse Glückwünsche

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Indien gedenkt Mahatma Gandhis: Am Rande der Feierlichkeiten gibt es Verwirrung um seine Asche.

Von Arne Perras

Friede war Mohandas K. Gandhi am großen Jubiläumstag nicht gegönnt. Indien feierte am 2. Oktober den 150. Geburtstag ihres legendären Freiheitskämpfers. Es sollten besinnliche Momente der Erinnerung an den Mahatma sein, die "große Seele", wie ihn die Inder nennen. Hetze und Hass sollte es nicht geben, aber es kam dann doch anders. Zumindest in Madhya Pradesh, wo jetzt nach jenen Unbekannten gefahndet wird, die eine Gedenkstätte von Mahatma schändeten.

Während die Feierlichkeiten für den Nationalhelden überall im Land im Gange waren, brachen Unbekannte in eine Gedenkstätte in Zentralindien ein und beschmierten ein Bild von Gandhi mit den Worten "Gegner der Nation". Das ruft düstere Erinnerungen daran hervor, dass der Freiheitskämpfer nicht nur Verehrer hat, sondern auch teils sehr militante Gegner. Verwirrung gab es außerdem um Gandhis Asche: Nationale und internationale Medien hatten berichtet, dass bei dem Einbruch auch dessen Überreste entwendet wurden. Die Polizei konnte dies zunächst nicht bestätigen, die Vorwürfe werden noch untersucht. Nach seiner Ermordung 1948 war der Mahatma in Delhi verbrannt worden, seine Asche verteilte man auf mehrere Orte in Indien, teils wurden sie auch im Ganges verstreut.

Gandhi war Hindu, und der Ausgleich zwischen den Religionen war für ihn immer auch Ausdruck seines Glaubens. Wer den Hinduismus praktiziert wie er, fühlt sich der Toleranz verpflichtet. Sie war lange prägend für das pluralistische Indien. Allerdings kollidierten Vorstellungen, wie sie Gandhi vertrat, schon früh mit der Position anderer Hindu-Gruppen. Sie haben es dem Anführer des zivilen Ungehorsams gegen die Briten nie verziehen, dass er auf Ausgleich mit Muslimen bedacht war. Aus Sicht der Gegner war Gandhi naiv und untergrub die Ziele einer Hindu-Nation, sie sahen ihn als Verräter und gaben ihm die Schuld, dass der Subkontinent in zwei Staaten geteilt wurde. Historisch ist das fragwürdig, denn es war vor allem die Schwäche der Briten, die Indiens Dekolonisierung so chaotisch machte.

Kurz nach der Unabhängigkeit feuerte der Fanatiker Nathuram Godse im Januar 1948 drei Kugeln auf Gandhi ab, das tödliche Attentat überschattet das Gedenken bis heute. Für die seit 2014 regierenden Hindu-Nationalisten ist dies besonders kompliziert. Der Gandhi-Biograf Ramachandra Guha nannte es einmal "paradox", wie Premier Narendra Modi versuche, sich das Erbe des Freiheitskämpfers anzueignen. Historiker deuten auf die große Kluft, die zwischen der Philosophie des Mahatma und der Weltanschauung der Hindu-Nationalisten herrscht. Deren Partei BJP und ihre rechtsnationale Kaderorganisation RSS steuern einen Kurs, der Minderheiten einschüchtert, was gar nicht zu Gandhis Idealen passt.

Dennoch bemühen sich führende Zirkel der Partei BJP darum, Gandhis Erbe in ihre Kampagnen einzubauen und den Werbeeffekt der Ikone zu nutzen. Gleichzeitig lassen sie kaum Eifer erkennen, radikale Kräfte in den eigenen Reihen an die Leine zu legen. Die Eiferer verehren nicht Gandhi, sondern seinen Attentäter: Ihn sehen sie als den großen indischen Patrioten.

© SZ vom 05.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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