13 Jahre nach Srebrenica:UN-Tribunal mildert Ton gegenüber Serbien

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Der neue Chefankläger Brammertz setzt im Gegensatz zu seiner Vorgängerin del Ponte auf Kooperation. Er sieht jetzt den "Moment, konstruktiv mit der Regierung in Belgrad zusammenzuarbeiten."

Nicolas Richter und Enver Robelli

13 Jahre nach dem Völkermord an bosnischen Muslimen in Srebrenica schlägt das Haager Jugoslawien-Tribunal neue, mildere Töne gegenüber der serbischen Regierung an. "Jetzt ist der Moment, konstruktiv zusammenzuarbeiten und nicht zu kritisieren", sagte der neue Chefankläger Serge Brammertz der Süddeutschen Zeitung.

Serge Brammertz, Chefankläger des Den Haager Jugoslawien-Tribunals und Nachfolger der Schweizer Juristin Carla del Ponte. (Foto: Foto: AFP)

Das Gericht sucht bis heute die mutmaßlichen Hauptverantwortlichen für das Srebrenica-Massaker: den früheren Anführer der bosnischen Serben, Radovan Karadzic, und dessen Armeechef Ratko Mladic. "Ich möchte, solange wie möglich, nicht auf Konfrontationskurs gehen", sagte Brammertz, der sich damit im Ton deutlich von seiner Vorgängerin absetzt, der Schweizer Juristin Carla del Ponte.

Del Ponte hatte die Regierung in Belgrad wiederholt angegriffen, weil Karadzic und Mladic nicht gefasst wurden. Brammertz vermeidet es, seine Vorgängerin zu kritisieren, doch hätten sich die Zeiten geändert. "Die heutigen Verantwortungsträger in Belgrad sind andere als vor fünf Jahren. Was damals richtig war, muss heute nicht richtig sein." Er sei überzeugt, "dass man mit Respekt und Kollegialität viel erreichen kann, vielleicht mehr als mit anderen Mitteln."

Brammertz ist offenbar darum bemüht, dass Serbiens Regierung das Gesicht wahren kann, wenn sie die mutmaßlichen Kriegsverbrecher fasst und ausliefert. In der Sache macht der Belgier aber keine Zugeständnisse. "Es gibt keine Alternative zur Festnahme der Verdächtigen." Brammertz geht davon aus, dass sich Karadzic und Mladic noch immer auf dem Balkan aufhalten und aus den Reihen serbischer Sicherheitskräfte Unterstützung erhalten.

Rasim Ljajic, Chef des serbischen Komitees für Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal, sagte in Belgrad, die neue Regierung müsse mit der UN-Justiz kooperieren, damit die EU-Integration fortschreiten könne. Ljajic kündigte eine intensivere Fahndung nach den mutmaßlichen Massenmördern an. "Wir erwarten, dass der Druck auf Serbien steigen wird. Wir sind uns der Verpflichtungen bewusst." Er bestätigte, dass Brammertz Ende Juli Belgrad besuchen werde.

EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn sagte in Straßburg, es sei nun "kristallklar", dass die neue serbische Regierung das UN-Tribunal unterstütze. Die Verhaftung Karadzics und Mladics sei eine Bedingung für die Ratifizierung des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens mit Serbien durch die EU-Mitgliedstaaten. In Belgrad regieren seit dieser Woche die prowestlichen Demokraten zusammen mit den Sozialisten des verstorbenen Autokraten Slobodan Milosevic, der als Komplize Karadzics galt.

Die UN müssen sich für den 1995 unter ihren Augen begangenen Völkermord in Srebrenica nicht vor Gericht verantworten. Das Landgericht Den Haag wies am Donnerstag eine dort erhobene Schadenersatzklage von Angehörigen der Genozid-Opfer ab. Es verwies auf die UN-Charta, die der Völkerorganisation weltweiten Schutz vor juristischer Verfolgung garantiert. Im bosnischen Bürgerkrieg war die Region um Srebrenica von den UN als Schutzzone deklariert worden. Doch im Sommer 1995 überließen niederländische UN-Soldaten Srebrenica kampflos den angreifenden Serben, die danach etwa 8000 muslimische Männer ermordeten.

© Süddeutsche Zeitung vom 11.7.2008/dgr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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