1. Mai:Tag der Kurzarbeit

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Für gut zehn Milllionen Arbeitnehmer wurde Kurzarbeit beantragt. Das muss nicht heißen, dass am Ende auch alle davon betroffen sein werden. Aber dennoch hat die wohl schwerste Rezession seit langem begonnen.

Von Bastian Brinkmann

Drinnenbleiben am 1. Mai: Zum ersten Mal seit seiner Gründung hat der Deutsche Gewerkschaftsbund seine großen Demonstrationen abgesagt und seine Mitglieder dazu aufgerufen, sich zu Hause vor den Bildschirm zu setzen. Der DGB sendete stattdessen auf Facebook und Youtube, die Gewerkschaften verschicken virtuelle Umarmungen und Selfies. Es ist für viele Menschen ein bitterer Tag der Arbeit, nicht nur weil traditionelle Termine ausfallen müssen. Millionen Deutsche können nicht mehr so arbeiten wie noch vor wenigen Wochen. Ihr Laden hat dichtgemacht, sie mussten ins Home-Office umziehen. Sie wurden entlassen oder arbeiten und verdienen weniger. In der Corona-Krise haben Firmen für 10,1 Millionen Menschen Kurzarbeit angemeldet. Das ist eine erschreckend hohe Zahl, die praktisch alle Prognosen übersteigt. Sie zeigt, wie heftig die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie noch werden können - bislang gibt es nur Schätzungen, meist auf Grundlage von Umfragen bei Firmen. Die sind schon düster. Es könnte aber, wie bei der Kurzarbeit, noch schlimmer kommen.

Vermutlich werden nicht alle 10,1 Millionen auch tatsächlich Kurzarbeit leisten müssen, das ist die gute Nachricht. Wenn es manchen Firmen wieder besser geht, werden sie darauf verzichten, ihre Meldung bei der Bundesagentur für Arbeit auch tatsächlich umzusetzen.

Das ist das Konzept der Kurzarbeit: Der Staat garantiert, dass er im Zweifel einspringt, wenn plötzlich die Arbeit wegbricht. Und die Wirtschaft kollabiert derzeit in historischem Ausmaß. In den schlimmsten Monaten der Finanzkrise, Februar bis April 2009, wurde nur Kurzarbeit für 1,9 Millionen Menschen angemeldet. Betroffen waren später deutlich weniger Menschen. Auch die nun veröffentlichte Zahl der Arbeitslosen zeigt, dass Kurzarbeit wirkt. 308 000 Menschen sind wegen der Corona-Pandemie bereits neu als arbeitslos gemeldet, es werden noch mehr werden. Die Arbeitslosen haben es jetzt besonders schwer, einen neuen Job zu finden. Oft wird es unmöglich sein, solange die Krise andauert. Das ist bitter. Für die Volkswirtschaft gilt trotzdem: Der Anstieg der Arbeitslosigkeit in Deutschland ist weit entfernt von amerikanischen Verhältnissen, wo bereits Dutzende Millionen Menschen arbeitslos geworden sind. Kurzarbeit sorgt dafür, dass die Arbeitsplätze erhalten bleiben - und sobald der Aufschwung kommt, können Firmen und Mitarbeiter direkt wieder loslegen. Die Kurzarbeit wird viele Milliarden Euro kosten. Sie sind gut investiert.

Die Reserven der Bundesagentur für Arbeit - finanziert durch Sozialabgaben der Arbeitgeber und Arbeitnehmer - werden dafür nicht reichen. Das ist aber kein wirkliches Problem. Die Bundesregierung kann noch viele Milliarden an Krediten aufnehmen und so viel an die Bundesagentur weiterreichen, wie benötigt wird.

Die Gewerkschaften erinnerten am Tag der Arbeit daran, dass Tarifverträge regeln können, dass das Kurzarbeitergeld vom Arbeitgeber weiter aufgestockt wird. Das ist in der Tat gut, hilft aber nicht allen. Lohneinbußen von bis zu 40 Prozent können viele Haushalte in Existenzprobleme stürzen. Daher sollte die von der Koalition beschlossene Erhöhung des Kurzarbeitergelds schon am ersten Tag gezahlt werden - und nicht erst nach ein paar Monaten.

© SZ vom 02.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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