1. Mai - Tag der Arbeit:Jeder ist, was er tut

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Kaum etwas prägt die Menschen so sehr wie das, was sie machen. Wer arbeitet was? Auch jede Gesellschaft definiert sich darüber. Seit den 1960er-Jahren hat sich vieles gravierend verändert.

Von Detlef Esslinger und Christian Endt

Was man werden kann

Es gibt Wörter, die sterben aus, und solch ein Wort ist: "Doppelverdiener". Man muss spätestens in den 1970er-Jahren aufgewachsen sein, um sich wenigstens zu erinnern, was damit gemeint war: keineswegs jemand, der zwei Jobs hatte - sondern ein Ehepaar, in dem beide ihrem Beruf nachgingen. Doppelverdiener waren Objekte des Neids (Die müssen Geld haben!), und damit auch des Argwohns (Was muss diese Frau unbedingt arbeiten gehen ... wir haben doch so viele Arbeitslose!). Längst jedoch werden Doppelverdiener nicht mehr als solche wahrgenommen; wirklich jeder darf beim Kennenlernen die Frage erwarten: "Was bist du von Beruf?" Die einzige Antwort, die heute noch seltener ist als "Hausfrau", dürfte sein: "Hausmann".

Es gibt Berufe, die werden seltener. Wer hat schon einen Bäcker im Bekanntenkreis? Es gibt Berufe, die haben sich mit der Zeit so geändert, dass man auch ihre Bezeichnungen geändert hat. Kfz-Mechaniker heißen jetzt Kfz-Mechatroniker, Schriftsetzer wurden zu Mediengestaltern. Und es gibt Berufe, die sind neu. Man muss nicht immer nur Bürokaufmann werden, also etwas eher Allgemeines; Luftverkehrskaufmann geht inzwischen auch. Und es gibt Berufe, die fallen vielen gar nicht erst ein, wenn sie nach der Schule vor der Entscheidung stehen: Fachkraft für Speiseeis. Instrumentenmacher. Destillateur.

Was man werden will

In einer Gesellschaft, in der Menschen über den Beruf definiert werden, war eine gern gestellte Frage an Kinder schon immer: "Was willst du mal werden?" (Und noch nie war damit gemeint: Vater von fünf Kindern, 1,80 Meter, großzügig). Riefen der Sohn oder die Tochter: "Bankbeamter!", dehnten ihre Eltern die Lippen vor Stolz. Dem Nachwuchs schien ein Leben in Sicherheit, mit Ansehen sowie Geld fürs Mittelschichtleben gewiss zu sein; und ihnen selbst der Nachweis, bei der Erziehung alles richtig gemacht zu haben.

Heute jedoch? Bank-"Beamte" gab es ohnehin immer nur bei der Sparkasse, spätestens in der Finanzkrise hat das Image der Branche gelitten, und unzerstörbar sind die Arbeitsplätze dort auch nicht mehr. Der Beamtenbund lässt einmal im Jahr die Deutschen fragen, welche Berufe bei ihnen das höchste Ansehen haben. Immer die Sieger, fast immer in dieser Reihe: Feuerwehrmann, Arzt, Pfleger, Erzieher, Polizist, Richter, Pilot, Professor. Was sofort auffällt: Hohes Ansehen geht keineswegs automatisch mit hohem Einkommen einher. Rechtsanwälte schaffen stets nur einen Platz im hinteren Drittel. Trotzdem gibt es von ihnen immer mehr - und von Bauarbeitern und Landwirten immer weniger.

Vor zwei Wochen wurde der Berufsbildungsbericht der Bundesregierung fertig. Der beliebteste angestrebte Beruf bei jungen Männern war 2017 "Kfz-Mechatroniker". Der Bankkaufmann lag auf Platz 22, der Maurer auf Platz 25. Bei den jungen Frauen dominieren: "Kauffrau für Büromanagement" und "Medizinische Fachangestellte"; also das, was früher Sekretärin und Arzthelferin hieß. Was sich im Unterschied zur Bezeichnung wenig geändert hat: dass viele Frauen in Berufe streben, in denen sie nicht die Großverdiener werden.

Was man werden soll

Viele Firmen sind ja schon froh, wenn sich junge Leute überhaupt für eine Ausbildung entscheiden statt für ein Studium. Sie haben ein Argument, das eigentlich schwer zu schlagen ist. Reinhard Bauer von der Kreishandwerkerschaft Kulmbach nannte es neulich in der Frankenpost: "Wer seine Lehre ordentlich besteht, der hat seinen Job sicher. Die Perspektiven sind derzeit genial."

Die Arbeitswelt wird sich weiter wandeln; interessant ist: wie? Was passiert in und mit den Berufen, die kaum einer noch so richtig will? Bäcker zum Beispiel; Arbeitsbeginn um 0.30 Uhr klingt für viele gar nicht genial. Oder Metzger: Jede dritte Lehrstelle in deren Betrieben bleibt unbesetzt - und es nutzt den Inhabern nix, dass fast jeder zweite Interessent für "Tierpfleger" keinen Platz bekommt; die Geschöpfe zu zerlegen, war gewiss nicht das, was sie sich vom Umgang mit ihnen vorgestellt haben. Oder in der Gastronomie: Für die Arbeitszeiten dort kann ja keiner etwas; aber für den Umgangston und die Bezahlung?

Überhaupt gibt es heutzutage viele Tätigkeiten, die recht mickrig entlohnt werden. Vor allem in den Großstädten ist oft kaum noch ein Auskommen damit möglich. Also machen die jungen Menschen zwar keine Lehre als Kellner mehr (woran auch die heutige Bezeichnung "Restaurantfachkraft" nichts ändert). Aber viele von ihnen kellnern später, neben ihrem eigentlichen Job. Ihre Eltern und Großeltern hätten sich vermutlich kaum vorstellen können, dass es einmal diese Art von "Doppelverdienern" geben würde.

© SZ vom 30.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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