Zum Tode von Willi Bartels:Ein Mann, ein Ort

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2000 Wohnungen und morgens ein Pils: Der "König von St. Pauli" vergaß auch in hohem Alter nicht, wo er hingehört. Und kehrte zurück auf den Kiez.

Ralf Wiegand

Er mochte sie angeblich nicht sonderlich, die Figur des Königs von St. Pauli, die der Regisseur und Autor Dieter Wedel einst fürs Fernsehen erfunden hat und deren lebende Vorlage er gewesen sein soll. Ein bisschen viel Rotlicht und Korruption war ihm das.

Als "König von St. Pauli" wurde Willi Bartels bekannt. (Foto: Foto: dpa)

Willi Bartels mochte lieber Hotelier genannt werden, das war er in erster Linie. Die zehnte Herberge auf St. Pauli, die zu seinem Imperium gehörte, eröffnete vergangene Woche. Es ist ein Haus mit einer Bronze-Fassade, ein Gebäude fast wie ein Denkmal. Seit Montag ist es auch eins - da ist Willi Bartels gestorben, 92 Jahre alt.

In erster Linie war dieser Mann - ein gelernter Schlachter - Großgrundbesitzer. Das, was er schon zu Lebzeiten in die Hände seiner Nachkommen gelegt hat, liest sich wie die Baubeschreibung einer kleinen Stadt: 2000 Wohnungen, eben zehn Hotels, Geschäfte, Theater, Clubs. Zu den besten Zeiten gehörten ihm an der Großen Freiheit, legendäre Seitenstraße der Lust, neun Grundstücke. Aber zur Legende wurde Bartels nicht, weil er viel besaß. Es gibt Menschen in Hamburg, die besitzen viel mehr, aber niemand will etwas mit ihnen zu tun haben.

Bartels liebte seine kleinen Ganoven

Noch in der vergangenen Woche saß Bartels in der Bar des Hotels - seines Hotels - "Hafen Hamburg" an einem Holztisch. Seinen Stock lehnte er an die Tischkante, er trank ein Pils. Hamburger sagen, man konnte die Uhr danach stellen: 9.30 Uhr am Morgen, ein Pils. An diesem Tisch hat er seine wenigen Interviews gegeben, dort hat er einst Dieter Wedel empfangen, um ihn mit Stoff aus seinem Leben zu versorgen für den TV-Sechsteiler, der 1998 lief. Dort soll er manches Geschäft abgewickelt haben. Dieses Bild beschreibt Willi Bartels ganz gut: alter Mann am Holztisch, ein Stock, ein Pils, Millionen schwer. Schön schrullig.

Zur Legende eines Königs trägt aber in erster Linie sein Reich bei. Bartels' Reich war der Kiez, das sagenumwobene St. Pauli, die Reeperbahn und ihre Nebenströme. Nicht-Hamburger werden wohl nie verstehen, was dran ist an dieser verklärten Romantik in einem Stadtteil, in dem Frauen aus aller Herren Länder ihre Körper verkaufen und tagsüber, wenn nicht das Neonlicht gnädig die Sehnerven betäubt, das Elend aus jeder Ecke lugt. Scharen von Obdachlosen, die in unaufgeräumten Supermärkten den billigsten Fusel des Tages suchen.

Glücklose Zocker der Nacht auf der Jagd nach Dosenpfand im nächsten Mülleimer. Empfindungslose Junkies, die im T-Shirt bei Nieselregen über die Straße taumeln. Und in den Seitenstraßen, wo man den Kiez nicht mehr riecht und hört, da steigen die Mieten und explodieren die Immobilienpreise, weil der Kiez so schick ist. Davon lebt auch das Imperium Bartels', das baut, was der Markt verlangt. Das alles ist St. Pauli heute.

Für ein Geschäft genügte sein Wort

Das St. Pauli, für das Willi Bartels steht, hängt längst nur noch als Schwarzweiß-Foto an der Wand. Hans Albers erkennt man da, die Große Freiheit Nr. 7, den Star Club, in dem die Beatles spielten. Das St. Pauli von Willi Bartels liebte seine kleinen Ganoven, die noch Ehre hatten, und es verneigte sich vor denen, die es geschafft haben, aber nie vergaßen, wo sie herkamen.

Deshalb war er der König von St. Pauli, Ehrenpräsident des St.-Pauli-Museums, Mitgründer der IG St. Pauli, eines Interessenverbundes der Geschäftsleute vom Kiez. Er hätte es nicht nötig gehabt, ist aber immer einer von ihnen geblieben. 2006, hochbetagt, zog er von Blankenese zurück nach St. Pauli. Da kam er her. Da wollte er bleiben.

Bartels hat zwar 1967 das Eros-Center gebaut, damals größtes Bordell Europas, aber eine Rotlicht-Größe war er deshalb nicht. Er verachtete jedoch das Gewerbe auch nicht, er machte halt seine Geschäfte mit Häusern. Mit allen Arten von Häusern. Für so ein Geschäft genügte sein Wort, heißt noch so eine schöne Legende.

Ohne Willi Bartels rutscht der Mythos St. Pauli wieder ein Stück weiter vom Jetzt ins Damals. Der König ist tot, es lebe der König? Diesmal wohl nicht.

© SZ vom 07.11.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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