Zoo Münster:Eine außergewöhnliche Liebe

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Durch die schwarzen Schwanendame Petra, die in ein Plastiktretboot verliebt war, ist der Tiergarten in Münster bekanntgeworden. In der grünen Oase kann man Tiere hautnah erleben.

Claudia Fromme

Es war die Liebe des vergangenen Sommerlochs: Petra und das Plastiktretboot. Der schwarze Schwan hatte sich in das Boot in Schwanenform auf dem Aasee in Münster verliebt und wich nicht mehr von dessen Seite. Zusammen zogen sie ins Winterlager in den Allwetterzoo, zusammen kehrten sie zurück.

Lädt ein zum Mitmachen und Streicheln: Der Zoo Münster. (Foto: Foto: Zoo Münster)

Zoodirektor Jörg Adler bugsierte Boot und Schwan unter Anteilnahme internationaler Kamerateams vom Aasee über Kanäle in den Allwetterzoo und wieder zurück, und dort turteln die beiden noch immer.

Darum empfiehlt es sich unbedingt, einen Zoobesuch in Münster nicht im Zoo zu starten, sondern einen Kilometer davor - am Aasee. Neben der örtlichen Segelschule gibt es dort nun die Imbissbude "Zum Schwan" und ungefähr da kreisen auch Petra und das Plastikboot.

An manchen Sonntagen fürchtet man fast, dass die Schwänin einen Herzinfarkt erleidet, so sehr mühen sich Tagestouristen und Seniorengruppen aus Holland und dem Ruhrgebiet in ihren Tretbooten, möglichst nah an das Tier heranzukommen. Mittlerweile sind diese halsbrecherischen Verfolgungsjagden schon ein beliebtes Fotomotiv in Münster geworden.

Nach der Petrashow kann man vom Schwanensee gemütlich in zehn Minuten zum Zoo laufen. Oder noch besser: Man nimmt den Wasserbus Professor Landois, benannt nach dem Zoogründer, der einen zum Tiergarten bringt. Dort warten: 3000 Tiere.

Warum nicht bei den Nasenbären starten. Die sind tagaktiv und Besucher bekommen daher ausreichend von Nasua nasua zu sehen - und zu hören. Die kleinen Bären mit den Ringelschwänzen und langen Nasen fiepen als Empfangskomitee am Zooeingang allerliebst. Dass sie Raubtiere sind, fällt einem erst wieder ein, wenn sie gefüttert werden und nebst Obst auch fluffige Küken kauen.

Ein paar Meter weiter schauen einen Syrische Braunbären ausdruckslos an, gewarnt wird vor gefährlichen Prankenschlägen. Beides ist charakteristisch für diese Art. Gut, dass es drinnen Panzerglas gibt und draußen einen Wassergraben um das riesige Freigehege mit Felsen und Wasserfall.

Streicheln erwünscht

Anfassen ausdrücklich erlaubt ist hingegen im Kinder- und Pferdepark ein paar Spazierminuten weiter. Nachdem man im Hippomaxx-Museum wirklich alles über die Kulturgeschichte des Pferdes in Westfalen erfahren hat, warten davor Ponys für den Praxistest, unweit davon gibt es Streichelziegen.

Überhaupt ist der Allwetterzoo vor allem ein Mitmachzoo: Auf dem Weg zum Tropenhaus mit der Freiflughalle laden Bänke in der Ara-Voliere zum Verweilen ein, Besucher dürfen Elefanten füttern oder den benachbarten Bergloris in ihrer Voliere Nektar kredenzen. Eine der Attraktionen schlechthin ist das Fitnesstraining der Brillenpinguine.

Jeden Tag um 14 Uhr pilgert die große Prozession durch den Zoo, vorne Tiere, hinten Menschen. Manche Pinguine verirren sich auch zu Harald Schmidt, Günther Jauch oder Stefan Raab. Dann nämlich, wenn Zoodirektor Adler sie ins Fernsehen mitnimmt, was ziemlich oft vorkommt.

Eine ausgeprägte Medienaffinität darf man Jörg Adler durchaus unterstellen. Das leugnet der Zoochef auch gar nicht. Nur wer präsent sei, sagt er, könne den Blick auf das wichtigste Thema überhaupt lenken: den Artenschutz. Der Allwetterzoo engagiert sich in besonderem Maße für den Erhalt der Artenvielfalt im natürlichen Lebensraum.

Er unterstützt Schutzprojekte für Goldkopflanguren und Tonkin-Goldaffen in Vietnam und eine Zuchtstation für bedrohte Arten in Kambodscha. In Münster selbst ist das Internationale Zentrum für Schildkrötenschutz entstanden, angesiedelt in der BioCity, einem Artenschutzhaus mit Forscherwerkstatt für Kinder und Jugendliche. Nur eine Botschaft rechtfertige die Naturillusion in Zoos, sagt Jörg Adler: "Das, was ihr seht, ist der traurige Rest einer zerstörten Welt. Wir müssen etwas tun, um sie zu retten."

Lange bestach der Zoo Münster vor allem durch eine Botschaft: Beton. Weil der alte Zoo dem Neubau einer Bank weichen musste, baute die Stadt Anfang der siebziger Jahre einen Kilometer weiter stadtauswärts einen neuen Tiergarten. Beton war damals das Nonplusultra und Pinguin, Löwe & Co präsentierten sich also fortan in tristem Grau.

Der schwarze Schwan Petra hat sich unsterblich in ein Plastiktretboot verliebt. (Foto: Foto: ddp)

Einigen gefiel das sogar, den meisten nicht, Jörg Adler am allerwenigsten. Als er den Zoo 1996 als Direktor übernahm, waren die Zeiten des Betonzoos gezählt. Inzwischen ist der Allwetterzoo fast so etwas wie eine grüne Oase. Dass die besonders saftig ist, liegt auch daran, dass es in Münster so viel regnet. Zoofreunde sollten sich wegen schlechter Witterung aber nicht vom Besuch abhalten lassen: Überdachte Wege von Tierhaus zu Tierhaus machen den Zoo in Münster zum Allwetterzoo.

Sonnenweg und Regenweg

Wer Zeit hat, nimmt den gut ausgeschilderten Sonnenweg, wer knapp dran ist, den kürzeren, überdachten Regenweg. Aber auch wer es eilig hat, sollte drei Dinge im Allwetterzoo nicht verpassen: Die weitläufige Gepardenanlage, den Dschungel der Orang-Utans und das Affricaneum genannte Naturparadies für Gorillas und Schimpansen.

In der modernen Gepardenanlage haben die eleganten Tiere ausreichend Gelegenheit auf Touren zu kommen. Von 0 auf 100 schaffen sie es in der Natur in nur drei Sekunden, und weil die Anlage im Allwetterzoo mit 7500 Quadratmetern ausreichend Platz bietet, kann man auch im Münsterland derlei Sprints gut beobachten.

Münster kommt in der Aufzucht der vom Aussterben bedrohten Nordpersischen Geparde dabei eine besondere Rolle zu: Der Allwetterzoo koordiniert Aufzucht und Transfer in allen europäischen Zoos. Kurzum: Wer wohin verheiratet wird von den Nordpersischen Geparden in Europa, entscheidet Münster.

Auf Wandersafari kann sich der Besucher bei den Affen begeben. Orang-Utans wie Jonny und Nonja kann man in einer eigenen Dschungelanlage mit tropischen Pflanzen, künstlichem Nebel, Hängebrücken und einem sechs Meter hohen Kletterbaum für Menschen naturnah erleben. Nur ein Graben trennt Mensch und Tier.

Ein ähnliches Konzept verfolgt das Affricaneum mit seinen Gorillas und Schimpansen, in dem interaktive Spielgeräte Kinder einladen, wie Affen zu klettern oder sich in einem Schimpansennest auszuruhen. Hautnah hingegen kann man im angeschlossenen Freigehege Guerezas und Kattas erleben. Besucher laufen dabei mitten durch das Revier dieser Stummelaffen und Lemuren.

Den Besucher erwartet in Münster nicht eine Leistungsschau der Tiergärtnerei. Viele Arten hat Direktor Adler abgegeben, die Eisbären etwa, weil er fand, dass ihre alte Betonanlage gar nicht tiergerecht ist. Besonders wird der Zoo in Münster aber durch den naturnahen Ansatz, die pädagogisch sehr gute Aufbereitung und die vielen netten Details.

Am Zooeingang kann man sich Buggys, Rollstühle und Bollerwagen leihen, Sonnenliegen mit Tierblick laden zum Verweilen ein und Spielplätze zum Toben, Picknicken ist fast überall erlaubt. Vor Tropenhäusern blasen Plastiktapire mit eingebautem Föhn Brillen warm, damit sie nicht beschlagen.

Zoofans mit eigener Homepage

Der Zoo Münster hat viele Fans, einige von ihnen betreiben eine private Homepage. Unter www.zoofans.de tauschen sie sich aus. Etwa darüber, was Mary Zwo in der Stuttgarter Wilhelma gerade so macht. Das Gorillababy war durch die mangelnde Fürsorge seiner Mutter so geschwächt, dass es auf der Kinderintensivstation der Uniklinik Münster notbehandelt werden musste, bevor es in die Aufzuchtstation für Menschenaffen in Stuttgart kam.

Genesungswünsche für Mary Zwo gibt es im Forum der Zoofans ebenso wie das große Bedauern, dass die erste Staffel der WDR-Doku-Soap "Pinguin, Löwe & Co" aus dem Allwetterzoo erstmal abgeschlossen ist. Die Stars unter den Tieren, jedenfalls bei den Download-Motiven für Computerbildschirme, bleiben bei den Zoofans allerdings zwei, die gar nicht zum Zoo gehören: die schwarze Petra und das Plastiktretboot.

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