Youtube-Star Michelle Phan:Superheldin mit mächtigen Gegnern

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Wird von einem großen Musiklabel wegen Verletzung des Urheberrechts verklagt: Youtube-Star Michelle Phan. (Foto: AFP)

Ein Spaziergang durch L.A. ist kaum noch möglich, ohne dass einen Michelle Phan von einem Plakat anlächelt. Sie wirbt für Mode und Softdrinks, betreibt eine Make-up-Linie. Ihr Youtube-Kanal hat fast sieben Millionen Abonnenten. Doch jetzt bekommt die selbsternannte Schönheitsexpertin Ärger - wegen des Urheberrechts.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es gibt ein anrührendes Video von Michelle Phan. Unter dem Titel "Mein gezeichnetes Leben" hat die 27-Jährige ihre Kindheit in Form eines Comics nacherzählt. Darin erfahren die Zuschauer von einem spielsüchtigen Vater, der irgendwann einfach abhaute, und einem Stiefvater, der ihr schreckliche Dinge angetan haben soll. Phan berichtet von der Einzimmerwohnung, in der sie mit ihrer Mutter und zwei Geschwistern lebte, und von ihrer Einsamkeit. Schließlich erzählt sie von ihrer Rettung: Schminke. Mithilfe von Puder und Make-up habe sie sich verwandelt - und plötzlich wie eine Superheldin gefühlt.

Heute ist die junge Amerikanerin vietnamesischer Abstammung tatsächlich eine Art Superheldin, zumindest bei Youtube. Ihr erstes Filmchen veröffentlichte Phan im Jahr 2007. Damals galt die weltgrößte Video-Plattform noch als Tummelplatz für skurrile Selbstdarsteller. In kurzen, musikunterlegten Clips präsentierte die selbsternannte Schönheitsexpertin ihre Schminktipps. Das Format kam an. Binnen einer Woche hatte Phan 40 000 Fans. Tendenz: rasch steigend.

Heute hat ihr Kanal - Youtube.com/user/MichellePhan - etwa 6,7 Millionen Abonnenten. Von solchen Zahlen können die meisten Medienunternehmen nur träumen. Phan selbst hat inzwischen Produkte für Kosmetikfirmen entworfen, sie wirbt für Mode und Softdrinks und betreibt ihre eigene Make-up-Linie. Allein 2013 soll sie fünf Millionen Dollar verdient haben. Ein Spaziergang durch New York oder L.A. ist kaum noch möglich, ohne dass einen Phan von einem Plakat anlächelt. Aber so wie jeder erfolgreiche Superheld hat auch sie inzwischen Gegner.

Altbackene Dinge wie das Urheberrecht

Das Musiklabel Ultra Records behauptet, dass der Youtube-Star ohne Genehmigung insgesamt 50 Lieder in ihren Videos verwendet habe. Für diese Urheberrechtsverletzungen will das Unternehmen Geld sehen: pro Song 150 000 Dollar, das macht insgesamt 7,5 Millionen.

Die Chancen, dass Ultra Records mit der Klage Erfolg hat, stehen amerikanischen Rechtsexperten zufolge nicht schlecht. Zwar sind einzelne Musiker des Labels, etwa der erfolgreiche House-DJ Kaskade, dankbar für die kostenlose Werbung (Phan fordert ihre Zuseher stets auf, die vorgestellten Songs zu kaufen). Allerdings betreibt die Schmink-Beraterin ihren eigenen Kanal auch mit Gewinnabsicht. Sollte Phan nicht noch überraschend eine Genehmigung für die Nutzung der Ultra-Songs aus dem Ärmel zaubern, wird sie womöglich wirklich ein paar Millionen zahlen müssen.

Der Ausgang des Rechtsstreits könnte Signalwirkung haben. Michelle Phan ist längst nicht mehr der einzige Youtube-Star, der dank seiner Millionen Fans im Netz auch in der analogen Welt Erfolg hat. Aus etlichen der einst so belächelten Online-Selbstdarsteller sind echte Großverdiener geworden. Und die wenigsten von ihnen dürften bislang daran gedacht haben, bei der Komposition ihrer Werke auf so vermeintlich altbackene Dinge wie das Urheberrecht zu achten.

© SZ vom 25.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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