Wolf auf Wanderschaft:Meister Isegrim streifte durch Oberbayern

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Während die Nation gebannt auf den zugewanderten Braunbären "Bruno" blickte, verschwand ein Wolf nahe der stattlichen Villen am Starnberger See von der Bildfläche.

Hans Kratzer und Armin Greune

Eines Tages war er von Italien aus nach Norden aufgebrochen. Er war ein Einzelkämpfer und schlug sich recht und schlecht durch den Alpenhauptkamm und das flache Land, und vielleicht hätte er irgendwann sogar seine Artgenossen in Sachsen erreicht. Doch dann fand er Ende Mai auf einer Landstraße bei Pöcking im Landkreis Starnberg ein unrühmliches Ende.

Der erste Wolf, der nach 150 Jahren in Oberbayern auftauchte, wurde von einem Auto überfahren und getötet. Während die ganze Nation gebannt auf den ebenfalls zugewanderten Braunbären "Bruno" blickte, verschwand der Wolf ganz in der Nähe der stattlichen Villen am Starnberger See von der Bildfläche, ohne dass jemand Notiz von ihm nahm.

Der spektakuläre Vorgang wurde erst jetzt bekannt, ein halbes Jahr nach dem Unfall. Genetische Untersuchungen an der Universität Lausanne haben ergeben, dass es sich tatsächlich um einen Wolf handelt, der aus einem in den italienischen Alpen lebenden Rudel stammt.

Kein Interesse an weiterem Medienrummel

Offenbar hatte das Bayerische Umweltministerium kein Interesse daran, dass das im Voralpenraum als ausgestorben geltende Raubtier einen weiteren Medienrummel auslöst:

Die untere Naturschutzbehörde Starnberg wurde angewiesen, die Öffentlichkeitsarbeit dem Ministerium zu überlassen. "Das Umweltministerium hat die Geschichte an sich gezogen", sagt ein Sprecher des Starnberger Landratsamts.

Mitarbeiter der Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald hatten den tiefgekühlten Kadaver abgeholt, erst am vergangenen Wochenende erhielten die Starnberger die Bestätigung, dass es sich bei dem Unfallopfer tatsächlich um einen Wolf gehandelt hatte. Das 30 Kilogramm schwere Tier war demnach zwei bis drei Jahre alt und schlecht ernährt.

Beim Vergleich der DNS des Tieres mit anderen Funden im Alpenbogen fand man heraus, dass ein am 29. März 2006 im italienischen Formazzatal nahe der Schweizer Grenze gefundener Wolfskot das gleiche Muster zeigte.

250 Kilometer in zwei Monaten

Der junge männliche Wolf hatte innerhalb von zwei Monaten eine Strecke von mehr als 250 Kilometern Luftlinie bis nach Pöcking zurückgelegt.

Nach Auskunft des Wildtier-Biologen Manfred Wölfl vom Landesamt für Umwelt ist dies nicht ungewöhnlich. Wölfe legen sehr weite Distanzen zurück und sind auf der Suche nach neuen Lebensräumen in ganz Europa unterwegs. Von einer Rückkehr der Wölfe nach Bayern zu sprechen, sei allerdings zu früh.

Dazu müsste sich erst, wie in Sachsen, ein Rudel bilden und Nachwuchs zeugen. In Bayern wurde bislang aber noch keine Wolfspopulation festgestellt. Zusammen mit den Bären und Luchsen wurden die Wölfe Mitte des 19. Jahrhunderts in Bayern ausgerottet.

© SZ vom 22. November 2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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